Zuckerguss (German Edition)
Gesicht.
»Suchst du irgendwas?«, frage ich missmutig, während ich eine riesige Portion Zuckerguss anrühre und auf die zwei Streuselkuchen verteile, die ich vor fünf Minuten aus dem Ofen geholt habe.
Alex bindet sich die Schürze ab und legt sie neben die Spüle, in der sich Schüsseln, Teigschaber, Löffel und Schneebesen stapeln. Dann lässt er sich mit hochgezogenen Augenbrauen auf einen Küchenstuhl fallen und betrachtet kopfschüttelnd den vollbeladenen Küchentisch, auf dem neben den Streuselkuchen noch eine Käsesahnetorte, eine Kirsch-Mokka-Torte und ein Blech mit einer Mango-Aprikosen-Joghurtschnitte stehen.
»Kannst du mir mal erklären, wann und vor allem wer das alles essen soll?«
Ich zucke mit den Achseln. Also, so viel ist das jetzt auch nicht, finde ich. Okay, vielleicht (unter Umständen) habe ich es etwas übertrieben, doch ich musste mich abreagieren. Nach diesem furchtbaren Morgen brauchte ich Ablenkung von meinem ganzen Haufen an Problemen, und was gibt es da Besseres als zu backen. Meine Probleme haben sich nach diesem sechsstündigen Backmarathon zwar nicht in Luft aufgelöst (leider), aber wenigstens habe ich nun genügend Kuchen, den ich aus Frust in mich hineinstopfen kann. Ein kleiner Trost.
»Du hast nichts verlernt, Schwesterchen«, meint Alex kauend und schiebt sich einen weiteren Bissen meiner Käsesahnetorte in den Mund.
»War das ein Kompliment?«
»Du weißt selbst, dass du gut bist.«
Ich blicke auf. Mehr werde ich aus meinem Bruder wohl nicht herausbekommen, aber es ist ein Anfang nach dem tagelangen Schweigen. Still vor mich hin lächelnd lecke ich einen Klecks Zuckerguss von meinem kleinen Finger ab. Hat sich dieser Backmarathon doch bezahlt gemacht, wer hätte das gedacht?
Staunend schaue ich zu, wie Alex sich das dritte Stück Torte abschneidet und sich mampfend darüber hermacht. Was für eine Gemeinheit, dass man ihm auch das vierte Stück Käsesahnetorte nicht ansehen wird, wohingegen ich allein beim Anblick eines Salatblattes ein Kilo zunehme. In Momenten wie diesen fühle ich mich vom lieben Gott hemmungslos benachteiligt.
Alex lehnt sich in seinem Stuhl zurück und streicht sich über den nicht vorhandenen Bauch. »Wie läuft’s mit deinem Loverboy?«, erkundigt er sich mit einem spöttischen Unterton in der Stimme.
Ich schlucke krampfhaft. Augenblicklich muss ich daran denken, wie Alex mir erst vor ein paar Tagen unterstellt hat, dass meine Beziehung zu David eine einzige Inszenierung ist. Bis heute frage ich mich, wie er dahintergekommen ist. David und ich spielen unsere Rolle schließlich perfekt. Jeder denkt, wir sind das absolute Traumpaar. Nur mein kleiner nerviger Bruder ist dummerweise anderer Ansicht. Und das könnte zum Problem werden, jede Sekunde.
»Ich glaube nicht, dass dich das etwas angeht.« Mit einem lauten Donnern knalle ich die Schüssel mit dem restlichen Zuckerguss neben die Spüle.
»Wenn ihr euch in der Öffentlichkeit wie Brangelina auf dem roten Teppich aufführt, musst du dich nicht wundern, wenn die Leute Fragen stellen.«
»Ich will nicht darüber reden.« Von wegen, man erkennt uns nicht! Nicht wahr, Olli?
»Wie lange willst du dieses Spielchen eigentlich noch spielen?«
»Welches Spielchen?«, frage ich betont ahnungslos. Der Wunsch, meinen Bruder mit einer zehnfachen Lage Klebeband zum Schweigen zu bringen, wird nahezu übermächtig.
Er guckt mich bedeutungsvoll an. »Du weißt ganz genau, was ich meine.«
»Nö, kein Plan«, sage ich mit Unschuldsmiene. »Und selbst wenn, mein Intimleben ist für dich tabu.« In seines mische ich mich auch nicht ein. Andernfalls hätte ich bereits dafür gesorgt, dass Cora Schneider es nicht einmal wagt, sich in der Nähe meines Bruders aufzuhalten, ohne vom Blitz getroffen zu werden.
»Lass uns bitte nicht wieder anfangen zu streiten«, meint Alex plötzlich in versöhnlichem Tonfall.
Ich hebe verdutzt die rechte Augenbraue. Das sind ja ganz neue Töne, ist er auf den Kopf gefallen, oder woher kommt dieser Sinneswandel?
»Ich streite nicht, ich stelle fest.«
»Meinetwegen«, gibt Alex mit einem schiefen Grinsen zu. »Du weißt eh alles besser.«
»Dafür bin ich deine große Schwester, die wissen grundsätzlich alles besser!«
Er zieht eine Grimasse, das schwere Schicksal eines armen Jungen, der mit zwei besserwisserischen älteren Schwestern bestraft ist. Armer Kerl.
»Es tut mir leid, Miriam.« Alex wird tatsächlich ein bisschen rot um die Ohren.
»Was denn?«
»Neulich
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