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Zuckerguss (German Edition)

Zuckerguss (German Edition)

Titel: Zuckerguss (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anica Schriever
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in der Bäckerei, ich hab das nicht so gemeint. Keine Ahnung, was mit mir los war, aber als ich dich da habe stehen sehen, ist bei mir eine Sicherung durchgebrannt. Mit einem Mal hatte ich vor Augen, wie viel glücklicher Papa wäre, wenn du und nicht ich in seine Fußstapfen treten würdest. Ich kam mir überflüssig und nutzlos vor, wie die zweite Geige, die vergeblich versucht, der ersten das Wasser zu reichen, und auf ganzer Linie scheitert.«
    Ich trete einen Schritt auf ihn zu und lege Alex von hinten die Arme um den Hals. »Das ist doch Unsinn, kleiner Bruder.«
    »Ja, insgeheim weiß ich das, und es tut mir auch leid, dass ich dich angeschnauzt habe. Aber als ich sah, wie locker du den Laden geschmissen hast, habe ich rot gesehen. Mir wurde plötzlich bewusst: Du gehörst in die Bäckerei, nicht ich. Papa hatte schon recht.«
    Und ich dachte, ich leide unter einem ausgewachsenen Minderwertigkeitskomplex. »Den Mist glaubst du hoffentlich nicht selber! Alex, jetzt mal ernsthaft, Papa hätte dich niemals in die Bäckerei geholt, wenn er kein Vertrauen in dich besäße.«
    »Meinst du?«
    Ich nicke bekräftigend. »Er kann es nicht besonders gut zeigen, aber ich bin mir hundertprozentig sicher, dass Papa weiß, was er an dir hat. Okay, er hatte es anders geplant, aber der bessere Nachfolger für die Firma bist du, und ich hoffe für dich und mich, dass unser Vater das endlich auch einsieht, damit das leidige Thema vom Tisch ist. Denn eines kann ich dir mit Sicherheit versprechen, ich werde die Bäckerei nicht in einer Million Jahren übernehmen! Da brauchst du dir keine Sorgen zu machen.«
    »Es ist nur so schwer, wenn man andauernd das Gefühl hat, im Schatten der großen Schwester zu stehen, egal was man tut«, erwidert Alex und fährt sich frustriert durch die kurzen braunen Haare.
    Ich presse die Lippen aufeinander, nicht sicher, was ich darauf antworten könnte.
    »Deshalb bin ich auch ausgezogen«, fährt Alex fort. »Mir ist irgendwann die Decke auf den Kopf gefallen.«
    »Kann ich gut verstehen.« Ich grinse ihn an.
    »Weißt du, ich hätte es selbst nie für möglich gehalten, aber ich mag meinen Job und das Leben hier. Auch wenn ich anfangs vielleicht keinen Bock hatte, deinen Platz in der Bäckerei einzunehmen, weil ich andere Pläne hatte. Mittlerweile kann ich mir gar nicht mehr vorstellen, etwas anderes als das hier zu machen.«
    Ich seufze. Wenn ich doch nur das Gleiche von mir behaupten könnte. Aber nach einer Woche in der Heimat bin ich immer noch nicht schlauer, wie meine berufliche Zukunft denn nun eigentlich aussehen soll. Falls alles glattgeht, habe ich in einem Jahr meinen Magister – und dann? Dann bin ich neunundzwanzig und habe in meinem Leben weiterhin nichts auf die Reihe gekriegt. Andere Frauen besitzen in dem Alter neben einem superbezahlten Job bereits einen Ehemann, Kinderchen und ein Eigenheim. Ich bin von allen drei Dingen meilenweit entfernt, und, seien wir realistisch, es sieht nicht so aus, als würde sich das bald ändern.
    Ich wüsste auch gar nicht, in welche Richtung ich mich jobtechnisch orientieren soll. Was könnte ich in die Spalte »Besondere Fähigkeiten« eintragen? Dass ich halbwegs gut backen kann und in der Lage bin, einen grammatikalisch korrekten Satz zu bilden? Genau, die Headhunter der Top-Firmen rennen mir bestimmt die Bude ein, wenn sie das lesen!
    »Ich bin froh, dass wir uns ausgesprochen haben, Bruderherz.« Ich gehe zum Kühlschrank und gieße mir ein großes Glas Milch ein.
    »Ich auch«, stimmt Alex mir zwinkernd zu. »Geschwister sollten zusammenhalten.«
    »Was aber nicht heißt, dass ich deine Freundschaft zu Cora gut finde.« Ganz im Gegenteil, ich möchte mich wie eine Löwin vor meinen kleinen Bruder werfen und ihn vor der biestigen Hyäne Cora beschützen. Allerdings bin ich mir nicht sicher, ob Alex von meiner Heldentat sonderlich begeistert wäre.
    »Kein Problem. Zwischen Cora und mir war nie was und wird nie etwas laufen«, gesteht er achselzuckend und sieht dabei überhaupt nicht enttäuscht oder traurig aus.
    Ich werfe Alex einen ungläubigen Blick zu. »Das verstehe ich nicht. Du warst mit ihr auf Mamas Geburtstagsfeier!«
    »Schon«, druckst er herum, »aber nur, weil sie sich mir gewissermaßen aufgedrängt hat und ich in meiner Naivität annahm, dass sie Interesse an mir haben könnte. Dabei wollte sie bloß auf diese blöde Party, mich hat sie bereits wenig später vergessen.«
    Das sieht dieser Tussi ähnlich! Mitfühlend

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