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Zuckerguss und Liebeslieder Roman

Zuckerguss und Liebeslieder Roman

Titel: Zuckerguss und Liebeslieder Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rosie Wilde
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einem knappen Nicken, als sie ihre Spinattarte auspackt. Sie hat kurz geschorenes Haar und trägt eine Schlabberhose mit Batikmuster. Bei meinem zweiten Vortrag, über Schlafprobleme, hat Sara an meinem höchst vernünftigen Vorschlag, feste Schlafenszeiten einzuführen, Anstoß genommen. »Ich finde, man fügt einer Kinderseele schweren Schaden zu, wenn man Babys eine letztlich völlig willkürlich gewählte Schlafenszeit aufzwingt«, hat sie mit gequälter Miene eingewandt. Zum Glück blickten daraufhin alle genervt zur Decke, und Brandy lenkte das Gespräch auf die South Beach-Diät.
    Ich beschließe, über dem Ganzen zu stehen. »Wie geht es dir, Sara?«, erkundige ich mich herzlich.
    Zu meiner Überraschung wirft mir Sara einen geheimnistuerischen Blick zu. »Hast du irgendwelche Erfahrungen mit Kindertagesstätten, Alice?«, raunt sie.
    Nein, weil ich keine Kinder habe und nicht die Babyflüsterin von Southfields bin. Aber in so was bin ich mittlerweile ein alter Hase. »Worum geht es denn genau, Sara?«, fragte ich ernst, mit einfühlsam geneigtem Kopf.
    »Ich überlege, wieder zu arbeiten«, sagt sie fast unhörbar. Sie hält Baby Hillarys Beißschlüssel aus Plastik in die Höhe
und fährt betrübt fort: »Ich bin Grafikdesignerin und hatte immer mein eigenes Geld.«
    »Ich verrate kein Sterbenswörtchen.«
    »Alle hinsetzen«, ruft Rachel. Das kann eine Weile dauern. Sobald alle sitzen, müssen sie gleich wieder aufstehen, um ihr heulendes Kind zu beruhigen oder es davon abzuhalten, ein anderes Kind zu schlagen oder sich einen Buntstift in die Nase zu stecken.
    Ich gehe mit gutem Beispiel voran und begebe mich ins Wohnzimmer, wo Rachel die Möbel an den Rand geschoben hat, damit wir alle im Kreis sitzen können.
    Rachels Haus hat einen offenen Wohn- und Essbereich, aber das ist auch schon das einzige moderne Stilelement. Die Gardinen haben schwere cremefarbene Spitzenbesätze, auf den Sofas liegen Überwürfe in Schottenmuster, und jede freie Fläche ist mit Ziergegenständen bestückt, einschließlich eines Sortiments Bürgerkriegssoldaten, die aufgereiht in einem eigenen Regal stehen. Am überwältigendsten aber ist die Masse von Fotos, die Rachel jeden Monat im Porträtstudio von J.C. Penney, einem großen Kaufhaus in Columbus, machen lässt: Baby Dale als Neugeborenes in nostalgischem Sepiadruck sowie in verschiedenen Verkleidungen, als Cowboy, als Osterküken (flauschiger gelber Kapuzenoverall mit einem Schnabel auf dem Kopf) und in patriotischer Pose mit einem rotweißblauen Strampelanzug und dem Sternenbanner als Kopfputz. Dazu kommen noch die Hochzeitsbilder von Rachel und Brian. Ich versuche gerade unauffällig Wyatt zu betrachten - er ist der Einzige, der auf dem Bild halbwegs natürlich aussieht, obwohl seine Mutter ihn offensichtlich gezwungen hat, einen Anzug zu tragen -, da höre ich eine bekannte Stimme hinter mir. »Alice, ich konnte mir Ihren Vortrag doch nicht entgehen lassen.«

    Ich fahre herum. Es ist Heidi.
    »Da ich ja jetzt Ferien habe, werde ich sie mir alle anhören können«, fährt sie fort. »Bis Sie abreisen, natürlich. Wann läuft noch mal Ihr Visum aus?«
    In drei Monaten. Rasch hole ich die Illustrationstafeln mit den Gesundheitstipps aus meiner Handtasche.
    Aber Heidi lässt sich nicht abwimmeln. »Wie ich höre, sind Sie ja eine richtige Expertin.« Sie rückt mir näher auf den Pelz. »Was eine Leistung ist, Alice, nachdem Sie weder eigene Kinder noch irgendwelche Qualifikationen haben.«
    Sie setzt sich mir direkt gegenüber und trompetet: »Sie werden bestimmt mit allem fertig, womit wir Sie bombardieren!«
    Nach diversen eiligen, aber ergebnislosen Fehlstarts Richtung Töpfchen sitzen wir endlich alle im Kreis, die Babys spielen in der Mitte, die Kleinkinder rennen außen um uns herum. Es ist ziemlich laut, aber daran bin ich mittlerweile gewöhnt.
    »Ernährung ist ein Thema, über das wir uns meist viel zu viele Gedanken machen.«
    Allgemeines Gemurmel und ein paar geflüsterte Bemerkungen. Das ist ein gutes Zeichen. Bei meinem ersten Vortrag - Entscheidende Entwicklungsphasen - fingen nach fünf Minuten alle an, untereinander zu reden, womit ich sehr elegant aus dem Schneider war. Doch jetzt sagt Heidi eifrig: »Erzählen Sie uns mehr, Alice. Sie sind doch die Expertin!«
    »Die Entwöhnungsphase kann sich anstrengend gestalten«, rezitiere ich aus Carolyns Aufzeichnungen, die ich auswendig gelernt habe. (Mit diesem Einstieg lässt sich das gesamte Problemfeld des

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