Zuckerguss und Liebeslieder Roman
einer Ranch in Texas, in einer kalifornischen Hippiekommune und am Stadtrand von Swansea aufgewachsen ist. Ich glaube, die aus Swansea war die Stewardess von British Airways. Es ist nicht leicht, den Überblick zu behalten.
Nach einer Weile sagt Wyatt: »Ich glaube, am meisten habe ich mich davor gefürchtet, jemanden zu enttäuschen. Es war ja nicht bloß ich da oben. Es waren die Band, die Truppe und die Leute von Carmichael Music. Mein Produzent und Manager. Und der Witz ist, die habe ich alle hängen lassen, als ich aufgehört habe.«
»Wie ging es dann weiter?«
»Sie haben andere Auftritte bekommen. Und ich hab’s später wiedergutgemacht.«
»Wiedergutgemacht?«
»Ja. Mich bei ihnen gemeldet. Ihnen Entschädigungen gezahlt, wenn sie es nötig hatten.«
Ich werde neugierig. »Wie haben sie reagiert?«
Wyatt zuckt mit den Achseln. »Sie haben es alle ganz locker genommen. Mir gesagt, ich soll trocken bleiben und …«
»Und was?«
Er seufzt. »Wieder auftreten.«
»Ha!«, triumphiere ich. »Sehen Sie.«
»Ja«, sagt Wyatt. Und lässt mich ein diabolisches Grinsen sehen. »Wie wär’s damit? Ich setz mich hin und schreibe einen Song, wenn Sie sich auf ein Pferd setzen und mit mir ausreiten.«
Ich klappe den Mund auf und wieder zu. »Das ist nicht fair.«
»Doch, ist es.«
»Nein, ist es nicht.«
»Das ist mein Angebot. Ja oder Nein?«
»Dass Sie einen Song schreiben und ich auf ein Pferd steige, hat nichts miteinander zu tun«, wende ich ein.
»Stimmt. Heißt das Nein? Schade. Ich war schon ganz beschwingt. Sie wissen schon«, er wedelt herum, »die Natur, die Felder … Scheunen.«
»Ach, Klappe.« Vor meinem inneren Auge blitzen verschiedene Bilder auf. Im ersten fliege ich durch die Luft, in vollem Galopp von einem bockigen Hengst abgeworfen. Im zweiten sitze ich Phoebe in ihrem Büro gegenüber. »Alice, niemand sonst hätte das zuwege gebracht. Bitte werden Sie meine stellvertretende Geschäftsführerin.«
»Ich denke darüber nach«, sage ich zu Wyatt. Damit gewinne ich Zeit, um mir zu überlegen, was Dr. Vaizey wohl tun würde.
»Hey«, sagt Wyatt. »Ich könnte doch was über meinen neuen Mopp von Swiffer schreiben.«
»Ach, Schluss jetzt.« Ich muss einfach lachen und boxe ihn zum Scherz in den Arm. Er kriegt mein Handgelenk zu fassen - sehr gute Reaktion - und lässt wieder los. Stephen hätte sich den Arm gerieben und ordentlich geschmollt.
(Komisch, als er loslässt, bin ich fast ein bisschen enttäuscht.)
Jetzt versinkt die Sonne hinterm Horizont und taucht die Felder für heute ein letztes Mal in goldenen Glanz. Wirklich der schönste Moment des Tages hier.
»Und was ist bei Carmichael Music so los?«, fragt Wyatt.
Wenn ich das wüsste. Der Einzige, mit dem ich dort noch in Kontakt bin, ist Bob, und der lässt nichts mehr von sich hören, weil er angeblich vollauf mit einer verzwickten Nebenhandlung seines neuen Thrillers beschäftigt ist.
Ich räuspere mich. »Dort hat man volles Vertrauen in Sie, und Sie sind weiterhin ein äußerst wichtiger Pfeiler unseres Unternehmens.«
»Ach echt. Und ich dachte, sie hätten mich abgeschrieben.«
»Kein Gedanke«, sage ich nachdrücklich. Graham und ich haben Wyatt niemals abgeschrieben. »Vergessen
Sie nicht, dass wir Sie unter Vertrag genommen haben, Wyatt. Und Loyalität hat für unser Unternehmen oberste Priorität.« Keine Ahnung, ob Letzteres stimmt, aber ich werde den Teufel tun und Wyatt den Wind aus den Segeln nehmen, wo er jetzt doch erwägt, wieder was zu schreiben.
Da wir nun schon beim Thema Carmichael Music sind, erzähle ich Wyatt von Bobs neuem Thriller, der in den Büroräumen eines internationalen Musikunternehmens spielt. Keine Ahnung wieso, aber Wyatt scheint ein brennendes Interesse an meiner Familie, meinen Freunden und Kollegen in England zu haben. In den letzten paar Wochen habe ich ihm von der Belegschaft bei Carmichael Music und den Mitgliedern der Selbsthilfegruppe erzählt, und eines Abends sogar ausführlich von Dr. Vaizey, bis ich zu ihm hinguckte und feststellte, dass er eingeschlafen war. Auch über Dad, Valerie und Teresa habe ich ihm das eine oder andere erzählt. Aber nichts über Mum.
»Interessantes Konzept«, sagt Wyatt nach meiner Kurzfassung von Bobs Thriller. »Softwaredesigner wird zum Privatdetektiv.«
»Nach Bobs Meinung sind High-Tech-Verbrechen die Zukunft der Prosaliteratur.«
»Hat er einen Agenten?«, fragt Wyatt.
»Nein«, räume ich ein, »aber er hat die Radio Times
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