Zuckerleben: Roman (German Edition)
Italienischlehrerin und greift nach Tutunarus Hand, streichelt sie sanft mit dem Daumen und fährt fort, »und den reichen Italienern deine Gedichte übersetzen und ihnen Vadims Bilder erklären.«
In diesem Sinne vergehen einige sehr harmonische Tage in der Zuckerfabrik von Dondușeni: Kühne Pläne werden geschmiedet, GroSoRe-Bilder gemalt und Wertgegenstände akquiriert. Die Auffindung von Hlebniks leblosem Körper wird erörtert. Und Italienischunterricht wird abgehalten. Und Felix Edmundowitsch der Fuchs mit geräucherter Doktorenwurst gefüttert. Und ein Polen-Visum für Nadja bei Arapu im Ministerium in Auftrag gegeben. Und es wird gelacht, getrunken, gegessen, geliebt, Zuckerfabrikdirektor Hlebnik in seinem Alkoholbottich bestaunt und bedauert und Schnaps destilliert.
Und dann. Dann taucht wie aus dem Nichts der Bulibascha von Otaci, Tudorel-Deomid Balmus, in Begleitung von Serge, Mihailytsch dem Major und zweier Busladungen Spezialeinheitler auf.
Bulibaschas Männer überwältigen Ilytschs wackere Samagon-Garde aus Schwarzbrenner-Autodidakten und nehmen die Zuckerfabrik sowie Hlebniks Datscha ein.
In der Abfüllhalle 2 lässt Serge die von Costea dem Notar aufgesetzte Urkunde verlesen, die die Schenkung der Zuckerfabrik und von Hlebniks Datscha an den Sowjetbürger Tudorel-Deomid Balmus hochoffiziell beglaubigt und mit der Unterschrift von Zuckerfabrikdirektor Hlebnik bestätigt.
Der Ewig Hungrige Historiker Roma Flocosu kann sich die spitze Bemerkung nicht verkneifen, dass es im Sowjetstaat kein Privateigentum gebe und schon gar nicht im Ausmaß einer ganzen Zuckerfabrik, und fängt sich einen Fausthieb ein.
Dies getan, lässt Tudorel-Deomid Balmus, der Bulibascha von Otaci, seinen Willen durchsetzen.
Der Dondușenier Spekulant Pitirim Tutunaru, die Italienischlehrerin Nadja Pilipciuc, der Ewig Hungrige Historiker Roma Flocosu, Vadim der Maler, die russischen Klassiker, Felix Edmundowitsch, Trotzki, Esenin der Kater sowie Wladimir Pawlowitsch Pușcaș, seine Samagon-Garde und Ilytschs Adjutant Filimon der Schweißer werden aus der Zuckerfabrik vertrieben.
KRISENBUCH DREI
NEUANFANG
WIR SIND STETS STARK GENUG, DAS UNGLÜCK ANDERER ZU ERTRAGEN.
FRANÇOIS DE LA ROCHEFOUCAULD,
MAXIMES, 1665
ÜBERRASCHUNGEN
2011. IN DEN ABRUZZEN, ITALIEN
Ein Hells Angel für Cristina
Es ist Samstag, der 23. Juli 2011. Das Begräbnis ist für Sonntag, den 24. Juli angesetzt.
12:10
»Ins Fenster hat er geschossen, der Junge. Zweimal!«, ruft Dušan dem Wladyka im Garten des »Dolce della Luna« zu. »Der Junge hat wohl gehofft, jemand würde ihnen zur Hilfe eilen und hat deswegen ins Fenster geschossen«, sagt Dušan weiter und erinnert sich an das, was sich vor etwa acht Stunden im »Dolce della Luna« abgespielt hat, in Tolyan Andreewitschs Hotelzimmerbad:
Die Tür wird aufgebrochen, aus den Angeln herausgerissen. Der Moldawier Tolyan Andreewitsch spricht auf die beiden italienischen Jugendlichen Cristina und Angelo ein, mit der georgischen Teedose in der Hand. Das Mädchen reagiert nicht auf die Worte des Moldawiers, sie wirft dem Fremden vor, in seiner georgischen Teedose Blutdiamanten für die kalabrische Mafia zu transportieren. Monica di Garozzo wird mit einem Schlag sehr nervös und wirft dem Moldawier einen warnenden Blick zu. Doch Dušan, Dušan merkt es zuerst. Die Badewanne. Sie ist voller Blut und Schaum. Darin, in diesem Blut-Wasser-Schaum-Gemisch, steht das Mädchen, Cristina, mit verwaschenem Lidschatten auf den blassen Wangen.
Die Besitzerin des »Dolce della Luna«, Monica di Garozzo, schreit. Cristina nutzt die Verwirrung und rangelt mit Angelo um die Beretta, sie will sich erschießen. Cristina schafft es, die Pistole an sich zu reißen. Signora di Garozzo hält sich die Augen zu und murmelt etwas Gebetartiges vor sich hin; Dušan nimmt dem Mädchen die Waffe weg, sichert sie, repetiert die Patrone aus dem Lauf der Pistole und zieht das Stangenmagazin aus der Beretta 9 x 19 mm. Francesca Lombardo, die Rezeptionistin, und der Moldawier vergewissern sich, dass Cristina und Angelo unverletzt sind.
Kaum aus dem Badezimmer heraus, nimmt allerdings Monica den Moldawier zur Seite und verlangt von ihm, er soll sofort »mit seinem selbstmörderischen Teenager-Duo das Gelände des ›Dolce della Luna‹ verlassen!« Droht mit den Carabinieri.
Und Tolyan Andreewitsch, der spricht nur mit Cristina und Angelo und ignoriert Monica ganz und gar.
»Weißt du, Wladyka, was der Moldawier der
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