Zuckerleben: Roman (German Edition)
Hotelbesitzerin gesagt hat, als Monica sie und die beiden italienischen Teenager rausschmeißen wollte?«, fragt Dušan und fährt sogleich fort, ohne die Antwort seines geistlichen Arbeitgebers Borimirović abzuwarten: »Da hat der Moldawier zu ihr gemeint, dass sie den Carabinieri gleich auch den abgefackelten Calabrese im Hinterhof zeigen soll, wenn die Jungs dann vielleicht nächste Woche nach der Berlusconi-Großdemo in Rom vorbeikämen. Da bräuchten sie den beschwerlichen Weg durch die Abruzzen nicht zweimal zu fahren. Und dann. Dann hat er gelacht, der Moldawier. Und die Signora di Garozzo ist bleich geworden und, ohne noch ein Wort zu sagen, schlafen gegangen.«
»Ja, das hab ich auch gesehen. Tja, und ich dachte, dass ich hier in den Bergen ein bisschen Frieden finden würde«, sagt der Wladyka und streicht sich durch den Rauschebart.
»Sind die eigentlich noch da, die drei?«
»Die sind vor ein paar Stunden abgereist, nach dem Frühstück.«
Borimirović atmet einmal tief ein und aus.
»Es wird vielleicht langsam Zeit, dass wir auch unseren Heimweg antreten.«
12:15
» Sì, ragazzi , so wurden die aus der Zuckerfabrik von Dondușeni rausgeschmissen, im August 1991«, sagt der Moldawier und zündet sich eine Parliament an, während er seinen Ford-Transit-Minibus mit moldawischem Kennzeichen auf der Strada Statale 38 Richtung Barrea lenkt.
»So wie uns diese rothaarige Lesbe Monica auch rausschmeißen wollte, aus ihrem Hotel, heute, am 23. Juli 2011, original, um fünf in der Früh!« Kurze Pause, in der Cristina eine Kaugummiblase platzen lässt; dann sagt sie weiter: »Wenn ich’s jemandem erzähl, glaubt’s mir bestimmt niemand. Ich meine, ich kann’s selber kaum glauben: Die Verrückte hat es tatsächlich fertiggebracht, den armen Pippo Calabrese in ihrem Garten auf diesen Europaletten abzufackeln!«
Cristina zieht sich am Vordersitz ein wenig nach vorn, sodass Tolyan Andreewitsch sie besser hören kann.
»Was, wenn das eine Art Opferritual gewesen ist?«
Der Moldawier lacht in den Rückspiegel.
»Wofür?«
» Wofür , fragst du? Um ihr ›Dolce della Luna‹ vor der Pleite zu retten, zum Beispiel.
Oder um die Krise zu vertreiben, was weiß ich. Die wird schon einen Grund gehabt haben …«, eine weitere Kaugummiblase platzt, »vielleicht hatte es damals im Mittelalter durchaus seine Berechtigung, dass Rothaarige auf dem Scheiterhaufen verbrannt wurden. Vielleicht waren die Leute damals klüger als jetzt. Und wussten etwas, was wir heute nicht mehr wissen …«
Die Nordlichter, die fehlen hier, denkt Angelo. Angesichts der Berglandschaft des Pescasserolier Umlandes, die an ihrem Minibus vorbeizieht, fühlt sich Angelo an seine isländischen Sommerferien in Akureyri erinnert. Dafür gibt es hier reichlich Bäume!
Angelo wirft einen Blick in Cristinas Rucksack, der auf dem freien Sitz zwischen den beiden Teenagern liegt; er kann Roccos Beretta nicht sehen und ist froh darüber.
Eine Agip-Tankstelle.
Der Moldawier betätigt den Blinker, wechselt die Spur und sieht seine beiden suizidgefährdeten Fahrgäste im Rückspiegel an.
»Also, ragazzi : Wir legen hier eine Mittagspause ein; danach fahr ich euch über Barrea zum Bahnhof von Castel di Sangro. In Castel di Sangro nehmt ihr die Bahn und fahrt über Sulmona nach Hause. Alles klar?«
Kurze Pause. Blickwechsel im Rückspiegel.
»Ich halte mich nämlich an unsere Abmachung. Die Frage ist nur, werdet ihr euch auch an die Abmachung halten?«
»Klar, Mann.«
»Angelo, kannst du bitte wiederholen, was der Deal war?«
Angelo seufzt genervt.
»Der Deal war: Kein Anruf bei den Eltern. Keine Polizei. Du bringst uns zum Zug, und wir vergessen die zwei Selbsmordversuche, den illegalen Waffenbesitz und –«
»Eure kleine Koksorgie und die Ballerei im ›Dolce della Luna‹, richtig. Dafür habt ihr mir hoch und heilig versprochen, keine weiteren Selbstmordversuche zu unternehmen. Zumindest, solange ihr mit mir unterwegs seid. Ihr erinnert euch. Ja?«, fällt der Moldawier dem italienischen Schüler ins Wort.
»Deal ist Deal, Mann«, bestätigt Cristina lakonisch.
»Angelo? Kann ich mich auch auf dich verlassen? Ich will euch da nicht auf die Toilette hinterhersprinten und nachschauen müssen, ob ihr mit den Füßen in der Klomuschel hängt und einen Föhn reinwerft …«
Angelo nickt, während Cristina Tolyan Andreewitsch ernst fragt, immer noch Kaugummi kauend:
»Was machst du eigentlich hier in Italien? Bist du von der
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