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Zuckerleben: Roman (German Edition)

Zuckerleben: Roman (German Edition)

Titel: Zuckerleben: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pyotr Magnus Nedov
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100-Dollar-Scheine hervor, nimmt die oberste Banknote zur Hand, spuckt darauf und klatscht sie dem ersten Musikanten auf die Stirn. Daraufhin verbeugt sich der soeben entlohnte Musiker leicht und dreht sich einmal um die eigene Achse, ohne den Schein von seiner Stirn zu entfernen.
    Der Reine geht zum nächsten Mitglied der Roma-Blaskapelle und wiederholt die Bezahlungszeremonie.
    Spuck – Klatsch! – und ein weiterer 100-Dollar-Schein ist an den Mann gebracht! Nichifor geht weiter.
    Spuck – Klatsch!
    Spuck – Klatsch!
    Spuck – Klatsch!
    Pause. Dann wieder:
    Spuck – Klatsch!
    Dem letzten in der Blaskapelle, dem Roma-Sänger in weißem Hemd und Panama-Hut, klatscht der Reine hingegen den 500-Francs-Schein als Honorar auf die Stirn. Der aufgebrachte Sänger unterbricht sein Sofia-Rotaru-Lied sofort mit einem Röcheln, ergreift den 500-Francs-Schein, beäugt ihn kritisch, bespeichelt ihn und klatscht Nichifor dem Reinen die französische Banknote mit einem Ausdruck des Unmuts fest auf die Stirn zurück.
    SPUCK – KLATSCH!
    Darauf reagiert Nichifor prompt mit einem KLATSCH – ohne SPUCK! : Er verpasst dem Roma-Interpreten eine Watsche mittlerer Stärke ins Gesicht. Ein kurzes Wortgefecht in Romanes, in dem mehrmals die US -amerikanische Leitwährung mit mannigfaltiger Stimmungsschwankung erwähnt wird, ist die Folge.
    Der Bulibascha von Otaci, ein etwa 164   cm großer, frisch rasierter 43-jähriger Roma mit Gute-Laune-Ausstrahlung und epischer Brustbehaarung lacht laut in seinem Lkw-Reifen im Pool treibend und ruft Nichifor etwas in Romanes zu.
    Nichifor der Reine schüttelt resigniert den Kopf, grinst den beleidigten Roma-Solisten an, kramt erneut in seinen Taschen und übergibt dem Musikus seinen reklamierten 100-Dollar-Schein. Im Anschluss drückt er je einen Luftkuss auf dessen pummelige Wangen, woraufhin sich der Roma-Maestro mit einem breiten Lächeln verbeugt, als wäre nichts gewesen, sich einmal um die eigene Achse dreht und gut gelaunt die berühmte psychodelische moldawische Ballade In Ions Garten anstimmt.
    Der Bulibascha von Otaci nickt zufrieden von seinem Lkw-Reifen im Pool aus.
    »Der elendige Cezar glaubt mir nicht, dass die 500   Francs ungefähr das Gleiche wert sind wie die 100   Dollar!«, kommentiert Nichifor den Vorfall für Mihailytsch auf Moldawisch, wischt sich Cezars Speichel mit einem Stofftaschentuch von der Stirn und steckt die französische Banknote ein. »Der Unzivilisierte!«
    Mihailytsch schweigt, winkt stattdessen dem Bulibascha von Otaci zur Begrüßung, der beide Männer einlädt, sich ihm anzuschließen und in den Pool zu springen.
    »Das Wasser ist soeben von Doktor Kaspirowskij mit Energie geladen worden!«, ruft der Bulibascha, »doch kaum ist der Kaspirowskij weg, schon haben wir wieder Schwanensee und Putsch. Und in dreißig Minuten wieder Stromausfall. Wie in der Costiujenier Klapse geht’s bei uns zu. Nur dass uns hier keiner Sulfasin oder Haloperidol verschreibt. Also kommt schon rein, Jungs, das kühlt ab!«
    Nichifor der Reine deutet mit seinem Chupa-Chups zum Pool und wirft dabei Mihailytsch einen fragenden Blick zu, welchem zu entnehmen ist, dass der Reine gegen eine Abkühlung im Pool nichts einzuwenden hätte.
    Mit trübem Gesichtsausdruck, in dem der Major seinen gesamten Weltschmerz konzentriert hat, deutet Mihailytsch indes auf seine Wostok-Uhr und ruft vorwurfsvoll in Bulibaschas Richtung: »Ich muss noch nach Lwow, Chef!«
    »Weißt du, der Kaspirowskij war auch im Ausland erfolgreich, Lech Wałęsa hat ihm letztes Jahr persönlich dafür gedankt, dass er mit seiner Teleklinik-Fernsehsendung die polnische Nation gesund gemacht hat. Dafür haben sie ihm als einzigem Nichtpolen den VIKTOR -Preis verliehen.«
    »Das ist beeindruckend, Bulibascha.«
    »Und ob das beeindruckend ist! Und dass er vor vier Jahren Psychotherapeut der sowjetischen Gewichtheber-Nationalmannschaft war, das weißt du bestimmt. Hier ist sein visionäres Lehrbuch Gestern. Heute. Morgen « – der Bulibascha zeigt auf eine dünne, etwa fünfzigseitige Broschüre –, »ist letztes Jahr in Kiew erschienen. Kann ich dir nur empfehlen, Mihailytsch …«
    »Aha.«
    Mihailytsch nimmt die Broschüre entgegen und blättert darin; täuscht Interesse vor.
    »Du musst die Umstände verzeihen. Drinnen wird gerade gestrichen. Wir steigen auf Naturfarben um«, Tudorel-Deomid Balmus deutet auf einen Wegweiser aus Azulejos -Platten, auf dem mit Mosaikstückchen der Name EL GITANO angebracht

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