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Zuckerleben: Roman (German Edition)

Zuckerleben: Roman (German Edition)

Titel: Zuckerleben: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pyotr Magnus Nedov
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verdutzten Frau das Blatt Papier entgegen, holt noch einen Schlüsselbund aus einer seiner Jackentaschen heraus und übergibt ihn ebenfalls der Frau.
    »Hier. Da hast du.«
    Die Frau versteht nicht, was vor sich geht.
    »Was ist das, Anatolij Michailowitsch?«
    Der Guru macht eine Pause und verkündet dann, wie nebenbei:
    »Der Schlüssel zu deiner neuen 4-Zimmer-Wohnung in Moskau, gnädige Frau. Im Taganskij-Bezirk.«
    Ein Raunen geht durchs Publikum.
    Die Frau verliert die Fassung und fängt an zu weinen.
    »Mihailytsch, hast du eine Ahnung, was so eine 4   Zimmer-Bude in Moskau im Taganskij-Rayon wert ist?«, fragt Nichifor der Reine hinter seinen Chiquita-Bananen-Geldkisten und pfeift beeindruckt.
    »Aber das ist doch ganz im Zentrum von Moskau!«, ruft die Bürgerin lebhaft im Sony-Fernseher aus, als hätte sie Nichifor gehört.
    Guru Kaspirowskij nickt wortlos. Wieder huscht kurz ein Lächeln über sein Gesicht.
    Die Beschenkte ist fassungslos. Sie weint und lacht abwechselnd, küsst Kaspirowskijs Hände, umarmt den Guru und bedankt sich auf exaltierte Weise.
    Das Publikum bekundet glutvoll seine ekstatische Kaspirowskij-Adoration.
    »KASPIROWSKIJ! KASPIROWSKIJ!! KASPIROWSKIJ!! KASPIROWSKIJ! KASPIROWSKIJ!! KASPIROWSKIJ!!!«
    Der Guru entlässt wie nebenbei die Patienten, die überall auf der Bühne herumliegen, aus ihrer Trance.
    »KASPIROWSKIJ! KASPIROWSKIJ!! KASPIROWSKIJ!!!«
    »Wie ein Haufen Wahnsinniger in der Rauschzeit, sag ich dir! Nichifor, ich geh raus, frische Luft schnappen; vielleicht gibt mir Vytautas was von seinem Tuborg ab. Sag mir Bescheid, wann der Kaspirowskij hier Feierabend macht …«
    Der Reine nickt Mihailytsch zu, mit einem pummeligen Geldbündel D -Mark in der Hand, während seine Großmutter mit den Lenin-Münzen um den Hals beim Anblick des Telespektakels wässrige Augen bekommt, Kaspirowskijs Namen zweimal ausruft und, den Blick auf den Winnitzer Psychiatrie-Medikus gerichtet, in Ohnmacht fällt.
    Von Nieren und verhinderten Roma-Asylanten
    Nichifor der Reine navigiert den gemütlichen Golf-Caddy in die Richtung, aus der eine Blaskapelle zu hören ist. Ein blauer Pfauenhahn zeigt sich scheu hinter einem geometrisch geschorenen Busch in Bulibaschas Garten, verschwindet wieder hinter einer Fontäne, seine Oberschwanzdeckfedern nach sich schleppend. Und taucht wieder auf.
    Der Reine winkt in die Richtung des Tiers.
    »Da! Franz Adolph hat ein Rad mit seinem Schwanz aufgeschlagen!«
    »Ganz toll …«, meint der Major unbeeindruckt. »Und du bist dir sicher, dass es deiner Babuschka wieder gut geht, Nichifor?«
    »Klar doch! Sie hat sich nur zu stark hineinversetzt in die Séance. Ihr geht es gut, Mihailytsch! Vielleicht kriegt sie mal ihre Gicht vom Kaspirowskij weghypnotisiert …«
    Mihailytsch nimmt einen Schluck aus seiner Tuborg-Flasche, die er von Vytautas dem Scharfschützen spendiert bekommen hat, schließt die Augen und lässt sich von der leichten ukrainischen Brise, die von Mogiljow-Podolski über den Nistru nach Otaci herüberweht, ein wenig die Nerven ventilieren.
    Ich muss es einfach auf mich zukommen lassen. Was kommt, das kommt, sagt sich Mihailytsch, genießt die wärmenden Sonnenstrahlen auf seiner Haut und lauscht der Stimme des Roma-Sängers und dem frenetischen Rhythmus der Bläser, der immer näher kommt:
    TAAA. TA. TA – TA – TA.
    TAAA. TA. TA – TA – TA.
    Ach, dieser Tango!
    In ihm rascheln die Palmen
    Mit der Süße der Frucht Mango
    Das Straßenatmen des Porto franco
    Und das Licht verblasster Leuchttürme.
    Der Pariserinnen schlanken Beine!
    Der heitere Klang gestriger Gelage!
    Der Afrikanerinnen süße Gelüste!
    Und der Fluch mongolischer Fischer.
    »Wir sind da, Mihailytsch!«, verkündet Nichifor der Reine mit seinem Chupa-Chups im Mund, springt vom Golf-Caddy ab und tritt an die Musikanten heran, die aus allen Kräften und mit voller Hingabe ihr Handwerk ausüben: Sie wippen, schwitzen, lachen, tänzeln, jaulen und singen um den Swimmingpool, in dem sich Tudorel-Deomid Balmus, wie der Bulibascha von Otaci mit Klartextnamen heißt, in einem 5320er- KAMAS 10-Tonner-Reifen ausruht und in der sowjetischen Automobilistenzeitschrift Am Lenkrad herumblättert. Vor ihm eine Leinwand, auf der Balletttänzerinnen hüpfen, sich zu Boden werfen, Pirouetten vollführen: Das sowjetische Staatsfernsehen sendet wieder den Schwanensee . Der Ton ist ausgeschaltet.
    Nichifor greift in die Hosentasche, holt einige von seiner gichtigen Oma gebügelte

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