Zuckermond
sie allesamt betroffene Gesichter machten. Sie lieben mich also doch! „Helena, das was ich eben gesagt habe, war nicht so gemeint. Natürlich bist und bleibst du unsere Tochter. Wir wünschen uns einen guten Mann für dich und wenn du uns davon überzeugen kannst, dass du mit diesem Leonard wirklich von Herzen glücklich bist, dann werden wir deinem Glück nicht mehr im Wege stehen. Spüren wir allerdings, dass er dir nicht gut tut, werden wir nach wie vor alles unternehmen, um dich mit einem vernünftigen Mann zu verheiraten. Einem Mann wie Lars von Lohe. Stell uns diesen Leonard also bitte einmal vor, damit wir ihn kennen lernen können.“
Kapitel 10
Erleichtert machte sich Helena auf den Weg nach Hause. Das Wochenende bei ihren Eltern war dann doch noch recht angenehm verlaufen – trotz aller anfänglichen Schwierigkeiten.
Aber nun saß sie gewaltig in der Patsche. Ihre Eltern bestanden darauf, Leonard kennen zu lernen und nun befand sie sich mitten in einer Suppe, die sie sich selbst eingebrockt hatte. Sie fuhr von der Kennedyallee kommend auf die Friedensbrücke in Richtung Hauptbahnhof und seufzte. Wie sollte sie sich bloß aus dieser Situation wieder hinausmanövrieren? Würde sie ihren Eltern berichten, sie und Leonard hätten sich urplötzlich getrennt, dann käme der nächste Versuch, sie mit Lars von Lohe zu verkuppeln. Ließe sie es bei diesem Schwindel, käme sie nicht umhin, ihnen früher oder später ihre angeblich so große Liebe zu präsentieren. Wehmütig blickte sie nach rechts auf die hell erleuchtete Skyline von Frankfurt, die eindrucksvoll am Himmel der Stadt kratzte. Diese Skyline hatte Frankfurt den Beinamen „Mainhattan“ eingebracht. Helena liebte diesen Blick. Vermittelte er ihr erstens ein unglaublich starkes Gefühl von „nach Hause kommen“ und zweitens war ihr optischer Sinn jedes Mal aufs Neue gefesselt von dem prachtvollen Panorama dieser riesigen Gebäude, die man nur aus einer gewissen Entfernung so richtig wahrnahm. Stand man unmittelbar davor, musste man den Kopf schon sehr weit zurücklegen, um überhaupt zu bemerken, vor welch riesigen Gebäuden man stand. Aber Helena liebte nicht nur den Blick auf die prächtige Skyline, sondern die gesamte Stadt. Frankfurt war für sie eine kleinstädtische Großstadt mit ganz vielen Facetten. Und hässlich, wie viele fälschlicherweise behaupteten, war sie ganz und gar nicht. Nirgendwo sonst fand man Mittelalter, Klassizismus und Glas- beziehungsweise Stahlwolkenkratzer so dicht gedrängt nebeneinander. Ein Kontrast, der einen besonderen Reiz auf Helena ausübte. Außerdem hatte Frankfurt einen der schönsten Weihnachtsmärkte in Deutschland. Helena liebte Weihnachtsmärkte, besonders den Frankfurter. Allerdings hatte sie davon jetzt in diesem Moment rein gar nichts, zumal es bis Weihnachten ja noch ein Weilchen hin war. Sie musste eine Lösung für ihr Problem finden und zwar schnell. Es ist ja nicht so, dass ich keine Wahl hätte, auch wenn die Alternative zur Sackgasse eben Holzweg heißt. Mist – egal, wie ich es drehe oder wende – es ist und bleibt alles Mist! Immer noch grübelnd hatte sie schließlich ihre Wohnung, die im oberen Stockwerk eines gepflegten Wohnhauses im Stadtteil Bockenheim lag, erreicht. Sie stellte ihre Reisetasche ab, schlüpfte aus den Sandalen und schlenderte zum Panoramafenster ihres lichtdurchfluteten Wohnraumes. Von hier aus hatte sie einen wunderschönen Ausblick auf den Von-BernusPark. Wenn sie mal eine kreative Blockade hatte, dann ließ sie sich oftmals von diesem Blick inspirieren. Und nun hoffte sie inständig, dass ihr ebenfalls eine Lösung für ihr quälendes Problem zuflöge. Leider verlief ihre Hoffnung im so genannten Sande, denn es kam ihr weder eine zündende Idee, noch wurde ihr leichter ums Herz. Verdammt, was soll ich bloß tun? Sie lief in die Küche, setzte sich Teewasser auf und knabberte nervös an ihrem Fingernagel. Mir wird nichts anderes übrig bleiben, als Leonard anzurufen und ihn zu bitten, sich vor meinen Eltern als die große Liebe meines Lebens auszugeben. Hektisch griff sie zum Telefonbuch. „Williams...Williams…“, dann hatte sie seine Nummer gefunden. Soll ich oder soll ich nicht? Hm…es ist Sonntagabend, vielleicht ist er ja gar nicht zu Hause. Sie nahm den Telefonhörer ab und wählte mit zitternder Hand Leonards Nummer. Augen zu und durch. Mehr als nein sagen kann er nicht. Und wenn er anderen Frauen seinen Körper verkauft, dann wird es für ihn ja wohl ein
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