Zuckermond
verführerisch wie eine Feder. Helena schloss die Augen. Während Leonard ständig von einer meterdicken Mauer umgeben schien, war Rafael herrlich unkompliziert, sensibel und offen. Seine Worte und auch sein Verhalten waren Balsam für ihre verwirrte Seele. Sie rutschte ein Stückchen näher an ihn heran und legte ihren Kopf an seine Schulter. „Du bist auch etwas Besonderes. Und wenn mein Herz nicht schon vergeben wäre… aber…. und ich….“ Sie brach ab. Rafael lächelte warm. „Ich weiß, was du meinst. Und keine Sorge – ich finde dich zwar wirklich entzückend, aber ich bin weder verliebt in dich, noch hege ich irgendwelche Absichten. Überhaupt, es muss noch einige Zeit vergehen, bevor ich überhaupt dazu bereit sein kann, mich wieder voll und ganz auf jemanden einzulassen. Beruhigt?“ Helena lachte. „Du hast die Situation verkannt, ich war nicht beunruhigt. Nur etwas verlegen und verwirrt. Schließlich hast du mir ein wunderschönes Kompliment gemacht.“ „Das war auch beabsichtigt. Das Kompliment meine ich natürlich. Nicht die Tatsache, das du verwirrt warst.“ Sein Daumen strich über ihre Wange. So saßen sie eine ganze Weile voller Eintracht und nahmen den Mann, der im Türahmen stand und sie nachdenklich beobachtete, absolut nicht wahr. Leonard konnte das Gefühl, das ihn beim Anblick dieser Harmonie und Gemütlichkeit durchströmte, nicht definieren. Allerdings konnte er nicht verleugnen, dass auf jeden Fall eine Spur von Eifersucht darin mitschwang, was ihm zeigte, dass er nicht sehr erfolgreich darin gewesen war, Helena innerlich auf Abstand zu halten. Sieh zu, dass du aus dieser Nummer wieder herauskommst. Oder willst du etwa ein Sklave – ein Gefangener – deiner eigenen Gefühle werden? Er atmete tief aus. Das durfte auf gar keinen Fall passieren! Diese Frau war nichts weiter als sein persönliches Callgirl auf Zeit. Ein sehr reizvolles Callgirl, keine Frage. Dies war aber dennoch kein Grund, sich dermaßen von seinen Prinzipien zu entfernen. Im Gegenteil! Er würde sich selbst beweisen, dass er stark genug war, sich gegen die ungewohnten Gefühle, die Helena in ihm hervorgerufen hatte, erfolgreich zur Wehr zu setzen. Währenddessen wanderte Rafaels Hand seitlich ihren Hals hinab, spielte mit ihrem Nackenhaar, verweilte auf ihrer Schulter, und glitt zurück zu ihrer Wange. Helena genoss die Mischung aus seelisch-menschlicher Nähe und zärtlichen Berührungen. Diese Mischung hatte sie sich immer von Leonard gewünscht, aber stets nur die körperliche bekommen. Umso hungriger war sie nun auf das fehlende Puzzleteil – seelische Nähe. Rafael hauchte einen Kuss auf ihre Stirn. „Geht’s dir gut?“ Helena nickte, hob ihren Kopf und blickte ihn warm an. „Sogar sehr gut! Dir auch?“ „Auf jeden Fall. So gut, dass ich dich am liebsten auf der Stelle in meine Arme reißen und küssen möchte. Allerdings mag ich nicht in fremden Gewässern fischen und Leonard dazwischen funken. Mir lieg zu viel an ihm, als dass ich diese wunderbare Freundschaft aus einer Laune heraus gefährden würde.“ Leonard hatte Rafaels Worte gehört. Ein warmer Glanz trat in seine Augen. Einerseits hatte er noch immer mit unerklärlichen Resten von leichter Eifersucht zu kämpfen, andererseits freute er sich, dass sein bester Freund sich nach seinem Pech mit Marcel wieder zu öffnen schien. Und da irgendwelche tiefer gehenden Gefühle zwischen Helena und ihm selbst aus seiner Sicht nichts bei der ganzen Sache zu suchen hatten, würde er auch den Rest seiner Eifersucht bekämpfen und… Ein teuflisches Lächeln legte sich auf sein Gesicht. Er näherte sich der Couch, auf der die beiden saßen. „Guten Abend.“ Überrascht wandten sich Helena und Rafael in die Richtung, aus der die Stimme kam. „Hi Leonard“, begrüßte Rafael seinen Freund. „Feierabend für heute?“ Leonard nickte, setze sich neben Helena und blickte amüsiert in ihr überraschtes Gesicht. Sofort stand sie unter Strom. Dieses explosiv pulsierende Gefühl nahm zu, als sie seine Hand auf ihrem Knie spürte. Er zwinkerte Rafael zu und flüsterte: „Bist du schon einmal von zwei Männern gleichzeitig verwöhnt worden?“ Rafael war zunächst erstaunt, doch nach und nach wich dieses Gefühl einer prickelnden Vorfreude. Schon mehr als einmal hatten Leonard und er gemeinsam eine Kundin beglückt – sie waren darin ein eingespieltes Team. Dies alles nun mit einer Frau wie Helena auszuleben, versetzte ihn in Hochstimmung, die ihm Mut machte.
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