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Zuckerpüppchen - Was danach geschah

Zuckerpüppchen - Was danach geschah

Titel: Zuckerpüppchen - Was danach geschah Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heidi Hassenmüller
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hinzu.
    Sie erinnerte sich an den trüben Apriltag der Beerdigung, als wäre er gestern gewesen. Vor ihr lief Pappi. Wie er da mit seinem Sohn Mark lief, der ihn schon um Kopfeslänge überragte, sah er in seinem zerknitterten Regenmantel fast bemitleidenswert aus. “Er wird alt”, hörte sie Mutti wieder sagen.”Kümmere dich um ihn.” Und sie hatte es ihr versprochen. Vielleicht hatte er sich in den letzten Jahren wirklich geändert? Vielleicht begriff er sogar, was er ihr angetan hatte? Als Muttis Sarg langsam in die Grube glitt, war sie zusammengebrochen. Ich habe nie mit dir darüber reden können. Ich habe dir nie sagen können, daß ich dir nicht wehtun wollte. Du hast mir nie gesagt, was du wußtest. Die nie gestellten Fragen schnürten ihr die Kehle zu. Die Endgültigkeit ihres Todes hatte ihr beinahe den Atem genommen.
    “Gaby”, Huberts Stimme rief sie zurück in die Gegenwart. “Mutter sagt etwas zu dir.” — “Wenn du willst, Kind, kannst du mich Mutter nennen, jetzt, da ihr nun einmal verheiratet seid.”
    Mutter. Sie bekam noch einmal eine Mutter. Eine vornehme, liebe Frau, die sie als Schwiegertochter akzeptierte, jemand, dem sie vielleicht einmal ihr Herz ausschütten konnte. Jemand, der sah, daß sie alles tun würde, um ihrem Sohn eine gute Frau zu sein, eine liebevolle Mutter für sein Kind. “Ich danke dir”, sagte sie, und ihre Stimme klang rauh. “Ich danke dir so sehr. Ich werde alles tun, um deinen Sohn glücklich zu machen.”
     
    Wenn die Kinder in der Schule waren, das Essen für mittags vorbereitet, setzte sie sich in ihren Volkswagen und fuhr hinauf zur Posbank, dem hügeligen Naturschutzgebiet vor Arnheim. Sie parkte den Wagen hinter der Wegbiegung und lief mit großen Schritten in den Wald. Hier gab es keinen Anlegesteg wie in Altona, von dem aus sie stundenlang ins Wasser sehen konnte. Aber das war auch nicht mehr nötig: Sie war glücklich, sie wollte glücklich bleiben, wollte Hubert glücklich machen um jeden Preis. Um jeden Preis? “Liebe ist geben und nehmen”, flüsterte Hubert ihr Nacht für Nacht zu. Er stützte sich ab, sah auf sie herab: “Gebe ich dir genug?” Gaby konnte dann nur nicken. Er hatte ihr alles gegeben. Er hatte ihr beigebracht, daß ihr Körper liebenswert war. Er konnte sie vor Glück erzittern lassen. Er zeigte ihr, was ein Mann auch sein konnte. Sein Körper erschreckte sie nicht mehr. Nie roch er nach Schweiß, in allen Hautfalten duftete er nach Paco Rabanne, selbst in der Ekstase blieb er ein Gentleman. “Dir will ich alles sagen”, murmelte er an ihrem Ohr, “wovon ich träume...” Er hielt eine Sekunde inne. “Und warum ich Patty begehre.” Er streichelte ihre kleine Brust. Gaby wagte nicht mehr zu atmen, versteifte. “Patty?” hatte sie geflüstert. Er hatte sie an sich gezogen. “Kleines, das ist doch normal. Jeder Mann begehrt andere Frauen. Ich bin nur ehrlicher. Das hat nichts mit Liebe zu tun, nur mit Begierde.” Die Dunkelheit im Schlafzimmer ängstigte sie. Vom Gang her drang kein Lichtschimmer herein. Wenn sie jetzt aufstünde, würde sie den Weg nicht finden. Früher hatte sie auch nicht im Dunklen schlafen wollen. Da waren unheimliche Dinge geschehen, da rissen Finger an ihrem Fleisch, da waren beängstigende Körperteile.
    “Es ist ein Zeichen meiner Liebe, Kleines”, fuhr Hubert fort, “wenn ich dir meine Träume erzähle. Ich möchte mit Patty schlafen. Sie reizt mich unsagbar. Ihr üppiger Busen, die Art, wie sie mich provozierend ansieht...” — “Hör auf, hör auf.” Sie weinte. Er beugte sich wieder über sie und küßte ihre Tränen weg. “Ich werde nichts tun ohne deine Zustimmung, nichts, ich schwöre es dir.”
    Der kalte Februarwind trieb ihr die Tränen in die Augen. Sie wußte so wenig. Was war Liebe? Einmal hatte jemand zu ihr gesagt: Wenn man jemand liebt, dann achtet man ihn und seine Gefühle. Hubert achtete ihre Gefühle. Er würde nichts gegen ihren Willen tun. Aber er sagte auch: Liebe ist geben und nehmen. Er hatte ihr soviel gegeben, ein neues Zuhause, ein schönes Heim, Sicherheit. Was konnte sie ihm geben? “Beweis mir deine Liebe”, flüsterte er Nacht für Nacht.
    Die Einladung zu Pattys Geburtstag kam unerwartet. “Sie hat am gleichen Tag wie ich Geburtstag, am dreizehnten März.” Hubert reichte ihr die Einladung. “Ein romantisches Essen zu viert”, stand da. “Bringt ihr gute Laune mit?” — “Eigentlich wollte ich unsere neuen Nachbarn einladen”, murmelte Gaby.

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