Zuckerpüppchen - Was danach geschah
haben willst, bitte sehr. Aber dann koche ich nicht, dann gehe ich den ganzen Tag weg.” Sie wußte gar nicht, wohin sie gehen sollte. Vielleicht zu Jean oder in die Stadt. Aber das war auch nicht so wichtig. Sie wollte dieses kleine Stück Freiheit für sich selbst verteidigen. Sonntags nicht. Einen Tag in der Woche für sich und Hubert haben.
Es half nicht viel. Er ging zwar notgedrungen auf ihre Forderung ein, aber er zog sich von ihr zurück. Sie konnte es nicht in Worte fassen, was sie fühlte, aber obwohl er ihr beim Sonntagskaffee gegenübersaß, keinen Meter von ihr entfernt, war er für sie so unerreichbar, als läge der Ozean zwischen ihnen.
Das Telefon klingelte. “Kommt ihr zum Kaffee?” Ursels Stimme klang fröhlich und aufgeweckt. “Mein Apfelkuchen ist gleich fertig, und ich brühe gerade Kaffee!”
“Ursel fragt, ob wir zum Kaffee kommen?” Sie drehte sich nach Hubert um, der am Eßtisch eine Taschenlampe in ihre Bestandteile zerlegte, um herauszufinden, warum die Batterien nicht funktionierten. “Hast du Lust?” — “Ja”, er lächelte, zupfte mit seiner typischen Bewegung an seiner Nasenspitze. “Wenn du willst?”
Da war es wieder. Wenn du willst! “Ich fragte dich, ob du Lust hast?” — “Ich sagte doch, ja, wenn du willst.” Bereitwillig schob er die Zeitung mit den Schräubchen und Spiralen zur Seite. “Das kann ich heute abend auch noch tun.” Daniel und Alex waren begeistert. Ursels Apfelkuchen und heiße Schokolade lockten. Außerdem spielten sie gerne mit Elke, der jüngsten Tochter Ursels. Besonders Alex, der Schmusepeter vom Dienst, hatte in dem vierzehnjährigen Teenager noch ein weiteres williges Opfer gefunden. Stundenlang konnte sie mit ihm über den Boden kriechen, ihm beim Zusammensetzen von Puzzles helfen oder seine Zeichnungen begutachten, mit denen er überall Bewunderung heischte. “Du bist mit deinen zweieinhalb Jahren schon ein richtiger kleiner Künstler”, Ursel drückte ihn an sich. “Ich habe noch nie so ein schönes Pferd gesehen.” — “Hund”, protestierte Alex. “Ist Blacky. Blacky ist lieb.” Der Hund hörte seinen Namen und kam schwanzwedelnd auf den auf dem Boden sitzenden Alex zu und schnupperte an der Zeichnung. Ursel kraulte ihn hinter dem Ohr. “Ja, du bist auch lieb. Alle seid ihr lieb.” Sie warf Hubert einen schnellen Blick zu. Sie ist wirklich hübscher geworden, konstatierte Gaby. Sie hat so einen weichen Zug um den Mund bekommen. Und all die Wärme und Zärtlichkeit, die sie in sich hat, strahlt jetzt deutlich aus ihren Augen. Sie sah zu Hubert. Wohlgefällig betrachtete er die Idylle zu seinen Füßen. Er hält Hof wie ein Pascha, schossen ihr Jeans Worte durch den Kopf. Aber da war noch etwas anderes in seinen Augen. Etwas, das sie nicht erklären konnte. Als er Gabys Blick fühlte, wandte er sich ab und zündete sich umständlich eine Zigarre an. Ganz langsam drehte er sich dann wieder zu ihr und nickte ihr zu. So, wie man einem Kind beruhigend zunickt. Alles ist gut, mach dir keine Gedanken. Als Ursel den Tisch abräumte, stand Gaby auf, um ihr zu helfen. Die Tassen zitterten so in ihrer Hand, daß sie sie gerade noch heil wieder auf den Tisch zurücksetzen konnte. “Laß man, ich helfe Ursel.” Hubert nahm ihr das Geschirr ab und trug es hinter Ursel her in die Küche. Gerd blätterte in einer Computerzeitschrift, sah auf und lächelte ihr zu. “Der stets eilfertige Hubert. Von dem könnte ich noch etwas lernen.” — “Ich weiß nicht”, sagte Gaby und sah zu der geschlossenen Küchentür. Sie schlug die Beine übereinander und verschränkte die Arme. Wenn sie die Nägel in ihre Hand grub, blieben da für einige Sekunden kleine, helle Einkerbungen. Kleine Narben, die mit jedem weiteren Herzschlag weniger sichtbar wurden. Hubert kam zurück, in seiner Hand die Sherryflasche, einen Martini für Gaby. “Ursel hat leider keine Zitrone im Haus”, entschuldigte er sich. “Ich hoffe, du trinkst ihn diesmal so.” — “Natürlich”, sagte Gaby. “Das ist doch nicht so wichtig.”
Das Geschäftsessen war gut gelungen. “Vielen Dank”, sagte Hubert zu ihr in der Küche, “das hast du wirklich mal wieder ausgezeichnet gemacht.” Gaby lächelte müde. Wie er sich bedankte! Gerade durch die offiziellen Worte schuf er einen Riesenabstand zwischen ihnen. Sie hatte versucht, es ihm zu erklären. “Nimm mich doch einfach in die Arme, und sag irgend etwas Liebes. Ich bin doch keine Haushälterin, bei der du dich so
Weitere Kostenlose Bücher