Zuckerpüppchen - Was danach geschah
Verfolgungswahn? “Du mußt mir vertrauen”, sagte Hubert. “Du mußt mir glauben. Ich habe wirklich keine Lust, immer wieder gegen deine unberechtigte Eifersucht anzukämpfen.” Ganz ruhig sagte er das. Er war nicht böse oder verletzt. Ein Mann, der über allem stand. “Eifersucht ist ein erniedrigendes Gefühl. Davon mußt du dich freimachen.” Scherzend hatte er sie geküßt. “Du kennst doch den weisen Spruch: ‘Eifersucht ist eine Sucht, die mit Eifer sucht, was Leiden schafft.’ ”
Suchte sie mit Eifer etwas, das sie leiden ließ? Ja, sie litt. Litt wie ein Hund, der Angst hatte, wieder getreten zu werden. Aber er sagte, sie bildete sich das alles nur ein. Es lag alles nur an ihr. Sie mußte ihm vertrauen, sagte er. Sie wollte nicht leiden.
Jede Woche kaufte Hubert sich sein Porno-Heft. Gaby hatte ganz zu Anfang ihrer Ehe, als ihre Welt noch in Ordnung schien, einmal zufällig eins in seinem Aktenkoffer gesehen. Vielleicht auch nicht so zufällig, weil Hubert sie gebeten hatte, etwas für ihn aus dem Aktenkoffer zu holen. Sie hatte das Blatt in die Hand genommen, und die auf Hochglanz polierten Großaufnahmen des Beischlafs hatten sie erröten lassen. Und sie erregt. Als Natalie und Manfred im Bett waren, hatte sie ihn gefragt, ob er solche Hefte öfter lese. “Ja”, hatte er unumwunden zugegeben und sie auf seinen Schoß gezogen. “Findest du das schlimm?” Sie hatte sich an ihn geschmiegt und an ihre eigene, so plötzlich aufgeflammte Erregung gedacht. “Nein”, sie suchte zögernd nach Worten. “Es hat nur so gar nichts mit dem zu tun, was ich für dich empfinde. Ich meine, es ist nur purer Sex.” Er hatte sie zärtlich geküßt. “Natürlich ist das nur purer Sex. Aber es ist ganz aufregend, sich so etwas einmal anzusehen. Alle Männer tun das.” Solche Sätze konnte sie nicht widerlegen. Sie glaubte sich zu erinnern, daß Robbie auch hin und wieder irgendwelche Magazine las, die er bei ihrem Eintreten blitzschnell verschwinden ließ. Damals hatte sie auch nicht damit konfrontiert werden wollen. Bei Hubert war alles anders. Sie wollte ihn verstehen, begreifen, wie er sich fühlte. Als er dann vorschlug, sich zusammen mit ihm ein Heft anzusehen, war sie darauf eingegangen. Es hatte ihrem Beisammensein in der Nacht eine neue, leidenschaftliche Note gegeben.
Das war sieben Jahre her.
In der Zwischenzeit erregten Gaby die Hefte nicht mehr. Sie hatte zuviel über Prostitution und pornografische Filmemacher gehört und gelesen. Wie die jungen Mädchen drogenabhängig gemacht und ausgebeutet werden. Wie erniedrigt sich gerade die in den Heften abgebildeten Frauen fühlen. Wie sehr Frauen in diesen Zeitschriften als reine Sexobjekte dargestellt werden. Doch es war nicht nur deswegen, daß Gaby im Laufe der Zeit die Hefte verabscheute. Immer öfter hatte Hubert die Hefte als Vorlage für seine Wünsche und Träume gebraucht. “Das möchte ich mit dir erleben”, sagte er und zeigte ihr im Bett Abbildungen von Gruppensex. Und wie immer wußte sie nicht, ob es nur seine Phantasie war oder ob er seine Phantasien in die Wirklichkeit umsetzen wollte. Wenn sie ihn bei Nacht im Bett danach fragte, sagte er, daß er alles mit ihr erleben wolle, nur mit ihr und mit keiner anderen.
Wenn sie ihn bei Tag in einem ihrer Briefe beschwor, daß sie nur mit ihm schlafen wolle, brachte er ihr einen Strauß Blumen mit, küßte sie und sagte, sie solle sich keine Gedanken machen.
Reden, richtig reden, konnte sie mit ihm nicht darüber.
In letzter Zeit las er ihr im Bett auch Kontaktanzeigen aus den Heften vor. “Liberales Paar sucht Gleichgesinntes.” — “Sie, bisexuell, sucht tolerantes Ehepaar.” — “Temperamentvoller ER will gern der Dritte im Bunde sein.” — “Du siehst”, sagte er, “andere Menschen erfüllen sich auch ihre Träume.” — “Du meinst, das sind richtige Anzeigen?” Gaby hatte bisher immer geglaubt, daß die Anzeigen, genau wie die sogenannten erotischen Geschichten, reine Phantasieprodukte waren. “Nein, die sind echt. Das sind Menschen wie du und ich. Menschen, die in einer festen Beziehung leben. Die sich aufeinander verlassen können. Menschen, die über kleinbürgerlicher Eifersucht stehen.” — “Du vielleicht”, sagte Gaby und drehte ihm den Rücken zu. “Ich stehe nicht darüber.”
Wenn das Bettgespräch diesen Punkt erreicht hatte, ließ er sie in Ruhe, oder er streichelte sie und sagte, wie sehr er sie liebe und daß er alles für sie tun würde und
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