Zuckerpüppchen - Was danach geschah
Hubert nicht aus den Augen. War sie denn wirklich verrückt? Sah sie Dinge, die nicht bestanden? Diese Blicke zwischen den beiden, dieses Lächeln um Ursels Mund, dieses Flackern in Huberts Augen? War sie denn wirklich verrückt? Und jetzt tanzten sie. Und wie sie tanzten! Ein Körper. Tanzten zu ihrer und Huberts Melodie. “On the top of the world.” Seine Lippen streiften Ursels Stirn, ihre Wangen. Nein, jetzt war es genug. Das war auch ihr Haus. Sie mußte doch nicht alles dulden. Sie ging zu den beiden, tippte Ursel von hinten auf die Schulter. Erschrocken fuhren sie auseinander. Huberts Hand glitt von Ursels Nacken hinunter zu ihrer Taille. “Darf ich dir meinen Mann abspenstig machen?” sagte sie und hoffte, daß ihr Lächeln im Gesicht nicht gefror. Und leiser fügte sie hinzu: “Jetzt ist es genug.” Ursel senkte den Kopf, drehte sich um. “Ich wollte sowieso zur Toilette”, murmelte sie und ging hinaus. Hubert sah ihr nach, zögerte einen Augenblick. “Tanzen wir?” fragte Gaby. Ein paar Bekannte sahen zu ihnen. “Natürlich”, sagte Hubert und knipste sein Lächeln an.
Als alle Gäste fort waren, lächelte er nicht. “Du machst mich lächerlich. Deine Eifersucht ist absolut entwürdigend und kindisch. Ich werde doch noch einmal mit einer Freundin tanzen dürfen! Wie konntest du dazwischenkommen.” — “Ich konnte nicht anders. Es war, wie du getanzt hast.” Gaby sah ihn nicht an. Sie leerte die Abfälle in die Mülltonne, räumte die schmutzigen Teller in den Geschirrspüler. “Du siehst Gespenster.” Huberts Stimme war eiskalt. “Darüber solltest du einmal mit deinem Therapeuten reden. Wie du mir mit deiner unbegründeten Eifersucht das Leben zur Hölle machst. Wie du deine beste Freundin verdächtigst. Warum du kein Vertrauen haben kannst.”
Jeder Satz traf Gaby wie ein Peitschenhieb. Sie hatte es doch gesehen. Sie hatte doch gefühlt, daß da etwas war. Konnte sie denn ihrem Gefühl nie mehr vertrauen? Ihre Beine zitterten so stark, daß sie glaubte, jeden Moment umzufallen. Hubert nahm ihr den schmutzigen Teller aus der Hand. “Du bist ja wirklich in einer schlechten Verfassung. Na ja, da müssen wir irgendwie hindurch. Nur diese Verdächtigungen, ich kann das nicht ausstehen.” Er spülte den Teller ab. Der Schmutz verschwand glucksend im Abfluß. Dann stellte er den Teller in die Maschine. “Ich mach das hier schon. Geh du mal ins Bett. Und denk darüber nach, wie du uns das Zutrauen konntest.” Gebrochen ging Gaby die Treppen zu ihrem Schlafzimmer hoch. Sie hielt sich am Geländer fest. Stufe für Stufe. Ja, wie konnte sie nur. Sie mußte doch wissen, daß ihr Vertrauen beschädigt war. Ausgerechnet die beiden liebsten Menschen verdächtigte sie. Eines Tages würde Hubert genug davon haben. “Du mußt Vertrauen haben”, hatte auch Jaap ihr geraten.
Deshalb hatte sie mit Ursel über ihre Jugend gesprochen. Die hatte sie nicht fallengelassen. Sich nicht entsetzt von ihr abgewandt. Eine wirkliche Freundin. Gleich morgen mache ich es wieder gut, nahm sie sich vor dem Einschlafen vor. Ich lade sie zum Kaffee ein. Nur wir beide. Ich sage einfach, daß ich zuviel getrunken hatte. Oder noch besser, ich sage nichts. Sie wird es schon verstehen. Ursel verstand immer alles.
Blaß und noch von der Operation gezeichnet lag Jean in dem weißen Krankenhausbett. Das Bett neben ihr war frei, so daß sie ungestört reden konnten. Jeden Tag kam Gaby mittags, um Jean zu besuchen. Die Unterleibsoperation machte ihrer Freundin sehr zu schaffen, so daß sie es nötig fand, sie ein wenig aufzumöbeln. Weniger als bei Hubert spielte ihr eigenes Bedürfnis eine Rolle, für Jean unentbehrlich zu sein. Sie selbst hatte die mittäglichen Gespräche auch nötig.
Huberts Mutter war da. Mehr denn je hatte Gaby das Gefühl, daß ihre äußerste Belastbarkeit bald erreicht war. Achtzehn Stunden am Tag forderte und befahl ihre Schwiegermutter, wie die Dinge im Haus ihres Sohnes zu sein hatten. Beinahe nie ungeduldig, höchstens leicht entrüstet, wenn Gaby eine andere Meinung hatte. “Keinen frischen Salat zum Mittagessen? Das kannst du doch nicht machen!” Und trotz Gabys Protest ging sie noch schnell zu dem Gemüsehändler um die Ecke, um frische Vitamine einzukaufen und den Salat mit viel Aufwand in der Küche zu putzen; mit hochrotem Kopf war sie dann beschäftigt, wenn Hubert mittags von der Arbeit nach Hause kam. “Essen fertig?” erkundigte er sich gutgelaunt und küßte erst sie und dann
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