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Zuckerpüppchen - Was danach geschah

Zuckerpüppchen - Was danach geschah

Titel: Zuckerpüppchen - Was danach geschah Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heidi Hassenmüller
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Gaby auf die Wange. Seine Mutter warf ihm einen entschuldigenden Blick zu. “Ich habe schnell noch einen Salat gekauft. Ißt du doch so gerne.” — “Ich habe frische Bohnen”, sagte Gaby und schnitt das Fleisch in Scheiben. “Hast du den Teller nicht vorgewärmt? Hubert hat sein Essen gerne extra warm.” — “Nein, habe ich nicht.” Sie schwenkte die Bohnen in Butter und verrieb noch etwas Muskatnuß darüber. “Kommt ihr bitte zu Tisch?” — “Hubert, kannst du mir bitte ein extra Handtuch geben? Ich lege morgens immer gerne ein Handtuch zu meinen Füßen, wenn ich geduscht habe.” Seine Mutter stand zögernd neben ihrem Stuhl, als wenn die Handtuchfrage sofort erledigt werden müßte. “Kann Gaby das nicht?” Er warf Gaby einen erstaunten Blick zu. Die wußte von nichts. “Ach, ich will deiner Frau nicht lästig fallen. Vielleicht wärst du so freundlich...” — “Natürlich, Mutter.” Nicht lästig fallen. Heute morgen um neun Uhr war sie schon mit seiner Mutter in die Stadt gefahren. Weil sie so gerne in dem kleinen Restaurant in der Einkaufspassage frühstücken wollte. Stundenlang hatte sie ihren Klagen über ihre Gesundheit — eines Morgens werdet ihr wach, und dann liege ich tot im Bett, ja, ja so wird das kommen — zugehört und andächtig zu ihren Beschwerden über ihre Schwiegerkinder genickt, mehr wurde von ihr nicht erwartet. “Cornelias Mann, na ja, von Adel ist er ja, aber seine geistige Entwicklung, da ist er doch etwas zurückgeblieben, und Laura, schaffen kann sie, aber sonst, ich weiß wirklich nicht, was Berthold an ihr findet. Und Dolf’, dann folgte ein abgrundtiefer Seufzer, “der ist nur so geworden, weil Iris ihn von mir entfremdet. Die Iris...” Die Beschuldigungen über ihre jüngste Schwiegertochter waren so absurd, daß Gaby nur mit Mühe einen Kommentar unterdrücken konnte. Kommentar dazu hatte nur Sinn, wenn er zustimmend war.
    “Fang mit meiner Mutter bitte keine Diskussion an”, hatte Hubert sie gewarnt. “Sie will ein paar schöne Wochen bei uns verbringen. Sie ist viel allein. Sie will nur ein wenig reden. Das ist doch nicht zuviel verlangt.” Natürlich nicht. Aber sie hatte ihre fünf Sinne noch beeinander. Mußte sie dann solche Sachen sagen wie: “Sag mir nichts gegen den Arbeitsdienst. Das war etwas sehr Schönes. Und ihr könnt sagen, was ihr wollt, bei Hitler zählte eine Mutter noch.” Ja, um Kanonenfutter zu produzieren, dachte Gaby, und sie dachte auch an das Grab ihres Vaters, das es nicht gab.
    “Ja, und dann das mit den Juden. Wer glaubt denn an fünf Millionen Tote? Und, alles was recht ist, ich seh’ sofort, wenn einer Jude ist. Wußtest du”, sie wandte sich direkt an Gaby, “daß die Lilli Palmer auch Jüdin war?” Gaby zählte lautlos bis zehn. “Ja”, sagte sie dann, “ eine tolle Schauspielerin. Meine Lieblingsschauspielerin.” Und sie sah wieder zum Fernsehen, das gerade eine Wiederholung ihrer Sendung zeigte. “Eine Frau bleibt eine Frau.” Was für eine besondere Frau stellte sie da dar: selbstbewußt und freundlich und so unglaublich souverän. Daß eine Frau so sein konnte, so unabhängig und doch so warmherzig.
    “Na ja”, sagte Huberts Mutter, und dann sagte sie eine Weile nichts mehr.
    “Kannst du mir sagen”, fragte sie jetzt im Krankenhaus ihre Freundin, “kannst du mir sagen, was ich machen soll? Wenn ich auch nur die kleinste Kleinigkeit zurücksage, ist sie tödlich beleidigt. Andererseits fühle ich deutlich, daß sie über mich redet, sowie ich zur Zimmertür hinausgehe. Warum sollte sie auch nicht: Keins ihrer Schwiegerkinder taugt in ihren Augen etwas. Und seitdem sie weiß, daß ich schreibe, beschaut sie mich sowieso wie ein Kuriosum.”
    “Wenn Hubert und die Kinder man nicht zu kurz kommen”, hatte sie gestern abend noch rügend gesagt, als Gaby sich, nachdem die Küche aufgeräumt, die Kinder im Bett, die Wäsche gebügelt war, in ihr Arbeitszimmer zurückzog. “Er hat dich ja”, hatte Gaby geantwortet und war froh, daß eine weitere Partie Canasta an ihr vorüberging.
    Eigentlich ein Kartenspiel, das sie gerne spielte. Aber mit Huberts Mutter dabei? Wenn Hubert schlechte Karten bekam, legte sie die Karten ab, die ihm noch fehlten. “Mutter, du gibst ihm seine Karten? Du bedienst ihn ja geradezu!” — “Oh”, tat Huberts Mutter erstaunt und sah auf das As, das Hubert zu einem echten Canasta, sieben von einer Sorte, verhalf. “Hab’ ich gar nicht gesehen.” Und dann ganz

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