Zuckersuesse Todsuenden
war’s«, verkündete ich. »Du hast lebenslänglichen Hausarrest. Kein Fernsehen. Keinen Nachtisch. Und auch keine Froot Loops.«
Carl griff nach der Packung.
»Nein!«, rief ich.
Carl zeigte den Froot Loops den Stinkefinger, kletterte aus dem Einkaufswagen und stellte sich neben Diesel. Er ließ die Schultern hängen und stützte sich mit den Fingerknöcheln auf dem Boden auf.
Ein dünner Teenager mit einer violetten Punkfrisur und Piercings im Gesicht blieb stehen und starrte Carl an.
»Das ist aber ein hässliches Kind«, spottete er. »Es sieht aus wie ein Affe.«
Carl zuckte die Schultern.
Wahrscheinlich war es für einen Affen schwer zu beurteilen, ob es sich dabei um ein Kompliment oder um eine Beleidigung handelte. Aus meiner Sicht war es eindeutig eine Beleidigung, und in mir stieg ein merkwürdiges Gefühl von mütterlicher Entrüstung empor.
»Es gefällt mir nicht, wie abwertend du von meinem Äffchen sprichst«, sagte ich zu dem Jungen mit dem vielen Blech im Gesicht. »Und dein Gesicht sieht lächerlich aus.«
»Nicht so lächerlich wie Ihr haariger Mutant in diesem Hemd«, entgegnete er.
Carl richtete sich auf. »Iihp?«
»Das ist ein T-Shirt für ein kleines Mädchen«, meinte der Junge.
Carl warf seine Arme in die Luft, als wollte er sagen: Ich hab’s dir doch gesagt, dieses T-Shirt ist doof. Er riss sich das Hemdchen vom Leib, zog sich die Windel aus und streckte mir seinen nackten Hintern entgegen.
»Was für ein Kerlchen!«, sagte Diesel belustigt.
Carl hob seine Windel auf, schnappte sich ein Ei aus meinem Karton und bewarf damit den gepiercten Jungen. Er verfehlte ihn, und das Ei landete an der Vitrine für Milchprodukte, zerbrach und hinterließ eine schleimige Spur auf der Scheibe. Carl griff nach einem zweiten Ei, aber Diesel zog ihn rasch hoch und hielt ihn eine Armeslänge von sich entfernt in die Luft.
»An deiner Wurftechnik müssen wir noch arbeiten«, sagte Diesel zu Carl.
»Bring ihn sofort hier raus«, befahl ich Diesel. »Ich erledige den Rest der Einkäufe. Wir treffen uns dann am Auto.«
Diesel klemmte sich Carl unter den Arm und schlenderte davon. Ich sah den gepiercten Idioten an und fühlte mich wieder wie damals in der Grundschule, als mich alle Hakennase genannt hatten. Ich stiefelte auf ihn zu, klatschte ihm ein Ei an die Stirn und kippte ihm den restlichen Reispudding über seine violetten Haare.
»Schwachkopf«, zischte ich.
Und dann drehte ich mich auf dem Absatz um und schob meinen Einkaufswagen an ihm vorbei den Gang mit den Backwaren hinunter. Als ich ihm einen letzten Blick zuwarf, sah ich, dass er den Pudding probierte, der ihm die Ohren verstopfte und ihm über den Nacken tropfte. Ich war nicht so ruhig, wie ich mich gab. Ich hatte noch nie jemanden mit einem Ei beworfen oder die Haare mit Pudding beschmiert. Ich war entsetzt und gleichzeitig freudig erregt. Während ich an den Muffins vorbeiging, atmete ich tief durch, und als ich das Regal mit den Hot-Dog-Brötchen erreichte, lockerte ich sogar ein wenig den Griff am Einkaufswagen. Niemand vom Sicherheitspersonal verfolgte mich. Piercing-Gesicht rannte nicht mit Eiern hinter mir her, um zu einem Vergeltungsschlag auszuholen. Und niemand würde das meiner Mutter erzählen. Ich war fein raus.
KAPITEL
22
I ch liebe mein kleines, altes Häuschen. Es gefällt mir, dass es eine Geschichte hat, dass Menschen hier Weihnachten und andere Festtage gefeiert haben, dass hier Kinder geboren wurden und Leute alt geworden sind. Ich freue mich, dass ich direkt vor der Haustür parken kann, dass ich die Zwiebellaternen betrachten kann und weiß, dass das alles mir gehört und ich jetzt Teil dieser Geschichte bin. Und es ist einfach schön, von draußen in ein dunkles Wohnzimmer zu kommen, das Licht anzumachen, damit alles kuschelig und gemütlich aussieht, und Diesel an meiner Seite zu haben. Zwar ängstigt mich der Gedanke irgendwie auch, aber – herrje! – es gibt schrecklichere Dinge im Leben, oder?
Katze Nr. 7143 räkelte sich auf der Couch, streckte sich, warf einen Blick auf Carl und rollte sich wieder zusammen.
»Vielleicht sollte ich an einem Rezept arbeiten«, meinte ich.
»Ist ein Steak unter den Zutaten?«
»Das wäre möglich. Zufälligerweise habe ich im Supermarkt einige Steaks gekauft. Wenn ich dir ein Steak mache, schläfst du dann auf dem Sofa?«
»Ja.«
»Wirklich?«
»Nein«, erwiderte Diesel. »Brätst du mir trotzdem ein Steak?«
Ich folgte ihm in die Küche und beobachtete,
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