Zuckersueßes Chaos
aufgewachsen und arbeitete nebenberuflich als Personal-Trainer. Er bot mir sogar kostenlose Schnupperstunden an, was ich dann allerdings weniger begeistert auffing.
Er wusste es wohl nicht besser, denn auf die Frage hin, ob ich das denn nötig hätte, versuchte er sich so verzweifelt rauszureden, dass ihm am Ende sogar Schweißperlen auf der Stirn standen – was ich ungemein niedlich fand. Hach, ich war aber auch manchmal gemein. Bevor er sich weiter um Kopf und Kragen reden konnte, beendete ich sein Elend und beichtete, ihn nur aufgezogen zu haben. Das ließ ihn erleichtert aufatmen und im Laufe des Abends bemerkte ich, dass wir uns wunderbar verstanden.
»Kann ich dir ein Bier oder was anderes anbieten?«, fragte er irgendwann. Ich warf einen Blick auf Vicky, die sich schon das ein oder andere Bier hinter gekippt hatte und für meinen Geschmack etwas zu ausgelassen feierte. Dann lächelte ich entschuldigend.
»So wie es aussieht, muss ich meine betrunkene Cousine bald nach Hause bringen, wobei mir allmählich der Verdacht kommt, dass sie mich einzig und allein aus diesem Grund mitgenommen hat.« Er lachte, obwohl ich den Gedanken gar nicht mal so abwegig fand und ich schloss mich ihm an. Er hatte ein ansteckendes Lachen, eines, bei dem man gar nicht anders konnte als einzusteigen. Als zwei männliche Stimmen lautstark nach meinem Gesprächspartner riefen, trennten sich unsere Wege und ich gesellte mich wieder zu Vicky und ihren Leuten. In der Zwischenzeit hatte sich ihre Gruppe verflüchtigt und nur noch Lynn, Emily und Zac waren zurückgeblieben. Sie machten sich gerade über ein tanzendes Pärchen lustig und ich folgte ihrem Blick.
Okay, so lasziv wie die beiden herumtänzelten, grenzte es schon an öffentlicher Belästigung, so viel stand fest. Was daran so lustig war, blieb mir allerdings ein Rätsel. Ich ließ meinen Blick weiter umherschweifen und mir fiel auf, dass die Stimmung allgemein von lustig und locker in betrunken und
sehr
locker umgeschlagen war. Das lag einerseits natürlich am Alkohol, aber auch an anderen, besser ungenannten Wirkstoffen – wobei Marihuana noch die harmloseste Droge war, die ich an diesem Abend entdeckte.
»Ich geh mal Pipi«, raunte ich meiner Cousine irgendwann ins Ohr und lief davon. Dabei war der Strand mittlerweile so voll, dass ich mir geradezu einen Weg durch die Menge bahnen musste. Es hatte sich wohl in der Stadt herumgesprochen, dass hier eine Party stattfand, denn es gesellten sich auch immer mehr Menschen dazu, die ganz offensichtlich keine Studenten waren. Als ich an einer Gruppe betrunkener Teenager vorbeikam, konnte ich mich gerade noch zurückhalten, etwas zu sagen.
So fertig wie die aussahen, hätten sie mich wahrscheinlich mit ihren Whiskeyflaschen beworfen, wenn ich meinen Mund aufgemacht hätte. Ich entfernte mich soweit vom Feuerschein, dass ich nicht mehr Gefahr lief, gesehen zu werden und verkroch mich hinter einem Baum. Dann lief ich eine Weile im Wald umher, parallel zum Strand und immer in Sichtweite des Lagerfeuers. Ich glaube, die Entscheidung hierher zu kommen, war die richtige gewesen. Ich hatte ein unglaublich gutes Gefühl bei der Sache und das erste Mal in meinem Leben den Eindruck, etwas zu machen, was absolut meinem eigenen Willen entsprach. Allein schon das Gefühl, nicht mehr zu Hause zu wohnen, unabhängig zu sein, seine eigenen Entscheidungen zu treffen.
Das würde die beste Zeit meines Lebens werden, da war ich mir sicher. Ich lehnte meinen Rücken an einen Baumstamm und beobachtete die tanzenden und lachenden Menschen, wobei ein zufriedenes Lächeln meine Lippen umspielte. Als ich jedoch aus den Augenwinkeln einen dunklen Schatten wahrnahm, schnappte ich nach Luft und stolperte zurück.
»Beobachtest du gerne Menschen?«, fragte mein Gegenüber. Doch anstatt zu antworten, kämpfte ich um mein Gleichgewicht, als mein Fuß an einer Wurzel hängen blieb. Unsanft landete ich auf den Ellenbogen und sah zu der Gestalt auf, die gesprochen hatte. Hätte der entfernte Schein des Lagerfeuers nicht auf ihn gestrahlt, wäre er in seinem schwarzen Aufzug glatt mit der Dunkelheit verschmolzen, doch so konnte ich seine schwachen Konturen erkennen. »Gott, hast du mich erschrocken«, murmelte ich mit dünner Stimme und rappelte mich auf. Er bot mir seine Hand an, doch ich winkte mit einem „Geht schon“ ab und stand allein auf.
»Was machst du hier alleine im Wald?«, wollte er wissen und zündete sich einen Joint an. Ich rümpfte die Nase,
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