Zuckersueßes Chaos
unterrichtsmäßig in den ersten Wochen eh nicht viel los sein wird.« Sie erhob sich.
»Also, kann ich heute Abend mit dir rechnen?«
»Ich überleg’s mir«, sagte ich und biss von meinem Brot ab.
»Gut, ich hol dich nachher ab«, sagte sie und schlenderte davon. Stirnrunzelnd sah ich ihr nach. Ich hatte nicht
Ja
gesagt! Kopfschüttelnd widmete ich mich meinem Mittagessen und dachte an die Male zurück, die Vicky und ich zusammen ausgegangen waren. Vicky war wirklich eine Partyqueen mit Leib und Seel. Ich kannte niemanden, der so leidenschaftlich an die Kleider– und MakeUp-Auswahl heranging wie sie. Sie brachte es sogar fertig, extra zum Friseur und Kosmetiker zu gehen – nur für eine Party! Und ja, diese Frau konnte feiern. Ich ging sogar soweit, zu behaupten, dass Vicky partysüchtig war.
Wer sonst konnte drei Tage lang durchzechen und sich gleich darauf für das nächste Wochenende verabreden? Ich war keineswegs eine Spaßbremse und hatte auch nichts dagegen, mich unter Leute zu mischen, aber wenn ich feiern ging, genügte es mir dann auch erst einmal für die nächsten Wochen. Während ich mein Brot verdrückte, sah ich mich in der Mensa um. Die Wände waren cremefarben und der Boden aus wunderschönem dunklen Parkett. Große Tische füllten den Raum aus, geschmückt von dunklen gemütlichen Stühlen und Sitzbänken.
Das war definitiv keine herkömmliche Mensa, hier steckte eine Menge Geld drin – genau wie im Rest der Uni. Kam es mir übrigens nur so vor oder war ich die einzige, die sich ihre Brote noch selbst schmierte? Wo ich auch hinsah, stachen mir Fastfood-Tüten, Kantinenessen und Fertiggerichte ins Auge. Wo blieb denn die Begeisterung für die gute alte Stulle? Es lag nicht einmal daran, dass ich mir kein anderes Essen leisten konnte. Meine Eltern hatten mir sogar angeboten, mich zu sponsern, doch ich hatte dankend abgelehnt. Da ich nun nicht mehr bei ihnen wohnte, wollte ich auf eigenen Beinen stehen und mir meine - Achtung Wortspiel - Brötchen selbst verdienen.
Ich lebte zwar noch von meinen Ersparnissen, die ich in den letzten vier Jahren angesammelt hatte, doch schon übermorgen würde ich meinen ersten Arbeitstag antreten und dann würde ich endgültig unabhängig sein - naja fast. Ich besaß dann zwar noch keine eigene Wohnung, aber ich war zumindest unabhängig von meinen Eltern.
Nach dem Mittagessen ließ ich mich im gemütlichen Aufenthaltsraum auf ein Sofa nieder und las in meiner Geschichtslektüre. Eigentlich hatte ich das schon vor Semesterbeginn machen wollen, um mich vorab in die Materie einzuarbeiten, aber der Umzug war dann doch so stressig gewesen, dass ich erst gestern dazu gekommen war.
Zweieinhalb Stunden später klappte ich das Buch zu und machte mich auf den Heimweg.
Kapitel 2
Das Unigelände war in mehrere Gebäude aufgeteilt, welche unterschiedliche Studiengänge lehrten. Eine großflächige Wiese trennte die Gebäude voneinander und war von alten Steinwegen bepflastert, welche die Grünanlage wie dicke Adern durchzogen. Ich ließ mir Zeit, um zum Bus zu laufen und genoss die angenehme Brise auf der Haut.
In einem Monat würde es wärmer werden und sobald die ersten Sonnenstrahlen aus den Wolken brachen, würde ich mich auf die Wiese setzen, Sonne tanken und in meinen Büchern lesen. Leise vor mich hin summend, schlenderte ich am Uni-Sportplatz vorbei, auf dem eine Truppe Footballspieler trainierte. Ich blieb eine Weile am Zaun stehen und sah dabei zu, wie sie sich gegenseitig über das Feld jagten und umwarfen. Ich mochte Sport und hatte in Grundschulzeiten noch sehr intensiv trainiert, doch mit dem Alter hatte ich immer weniger Zeit dafür gefunden und schließlich ganz aufgehört.
Ich bewunderte die Menschen, die zur Schule gingen, zwei Nebenjobs hatten und immer noch Zeit für regelmäßigen Sport fanden. Ich wünschte, ich wäre auch so diszipliniert, doch meine Leidenschaft gehörte schon seit Jahren den Büchern. Während andere stundenlang auf dem Laufband verbrachten, konnte ich den lieben langen Tag zwischen den Buchseiten kleben, nur um morgens früher aufzustehen und direkt weiterzulesen. Und weil es immer wieder neue Bücher geben würde, drohte mein Hobby auch nie langweilig zu werden. Hach, wenn mein Körper doch nur so schnell Kalorien verbrennen würde, wie ich lesen konnte, dann wäre ich wahrscheinlich gertenschlank oder magersüchtig.
Meinen Weg fortsetzend, wich ich zwei jungen Männern aus, die mit eiligen Schritten auf mich zukamen.
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