Zügel der Leidenschaft
ließen sie sie ohne einen Blick zurück liegen. Die ganze Prozedur wurde in kürzester Zeit und unter völligem Schweigen ihrerseits durchgeführt. Fast unmittelbar, nachdem sich die Tür hinter ihnen geschlossen hatte, hörte Angela ein lautes Klopfen an der Haustür.
War es möglich, daß draußen schon Hilfe stand? Die Polizisten auf dem Lande waren immer mit Fahrrädern unterwegs. Hoffnung keimte in ihrem Herzen auf.
Brook ging, unterstützt vom Brandy, seinem Groll und seinem neugefundenen Selbstbewußtsein, selbst zur Tür, um die beiden Polizisten abzufertigen.
»Wir suchen Graf de Grae«, sagte der größere und ältere der beiden Konstabler.
»Ich bin de Grae. Was wollen Sie zu so später Stunde?« wollte er hochmütig wissen.
»Wir haben den Auftrag, hier nach einer Dame zu forschen, Sir. Gräfin de Grae.«
»Zu welchem Zweck?« Das ist meine Frau.«
»Es handelt sich bloß um eine Frage der Identität, Mylord«, erwiderte der jüngere.
»Eine reine Routinesache. Wir haben Anweisung, sie ins Dorf zu bringen.«
»Sie ist aber nicht hier«, antwortete Brook brüsk.
»Könnten wir uns im Haus umsehen?«
»Ganz sicher nicht.« Brook wurde vor Entrüstung puterrot.
»Wir würden niemanden stören, Sir.«
»Sie werden niemanden stören, weil ich Sie nicht hereinlasse«, schnappte Brook sie an.
»Wir könnten aber einen Durchsuchungsbefehl besorgen, Sir«, mahnte der ältere Polizist, der sich von dem betrunkenen, arroganten Adligen beleidigt fühlte.
»Dann besorgen Sie verdammt nochmal einen. Sonst lasse ich Sie nicht hier herein.« Mit diesen Worten schlug der Graf den beiden die Tür vor der Nase zu.
»Wenn die verdammten Gendarmen wieder weg sind, holt meine Frau herunter«, befahl Brook brüsk seinen beiden Helfershelfern, die sich außer Sichtweite gehalten hatten.
Als sie Angela ein paar Minuten später losbanden und vor ihn führten, sagte er gereizt: »Wir scheinen hier vor einem Problem zu stehen.«
»Du hattest Besuch?« bemerkte Angela, die sich über seinen Ärger freute.
»Jemand hat die Polizei hinter dir hergeschickt.«
Kit, dachte sie sofort, getröstet von dieser Information, denn so wußte sie, daß ihre Rettung kurz bevorstand. »Vielleicht solltest du deine Pläne noch mal überdenken«, bemerkte sie. Sie fühlte sich nun sicherer. »Offensichtlich hat man deinen Aufenthaltsort herausgefunden. Jetzt ist es nur noch eine Frage der Zeit, nicht wahr?«
»Glücklicherweise ist das kein unlösbares Problem«, meinte der Graf forsch. »Ich kann die Papiere in einer Stunde hier haben.«
Er schickte einen der Männer los, den Dorfanwalt zu wecken und von der Planänderung zu unterrichten. Statt morgen früh müßte Haversham die Papiere sofort herüberbringen.
»Warum sollte ich eigentlich irgend etwas für dich unterzeichnen, Brook?« fragte Angela nun von Hoffnung auf Rettung beflügelt. »Das beste wäre es doch, wenn du und deine beiden stämmigen Schurken nun einfach verschwinden.«
»Du hast es noch nicht begriffen, Angela«, erwiderte ihr Mann leise, und sein betrunkener Blick flackerte sie feindselig an. »Wir verhandeln hier nicht mehr darum, ob du mir Geld überweist. Entweder überschreibst du mir alles, oder ich bringe dich um.«
Seine Worte jagten ihr einen kalten Schauder den Rücken herab. Noch nie hatte er ihr offen mit dem Tod gedroht. »Dann habe ich gar keine andere Wahl«, erwiderte sie ruhig in der Hoffnung, seinen gestörten Geist zu besänftigen – zumindest, bis der Mann mit den Papieren erschien. Vielleicht fand sie dann in ihm einen Verbündeten.
»Das hast du verdammt nicht mehr. Sobald mein Bursche mit dem alten Haversham herkommt, bin ich ein reicher Mann. Setz dich da hin, wo ich dich im Auge behalten kann. Er wird bald hier sein.«
»Ich bleibe lieber stehen«, sagte sie, denn sie wollte bereit zum Losrennen sein, falls es nötig war.
Da schlug er sie. Es war ein lockerer Schlag mit dem Handrücken gegen den Kopf, der sie umwarf. »Tu, was ich dir sage!« schrie er blaß vor Wut. »Ich habe dir gesagt, du sollst dich setzen!« Dann trat er nach ihr, verfehlte sie aber in seiner Wut. Anschließend wandte er sich ab, um sich mit einer Gelassenheit einen neuen Drink einzuschenken, die ebenso seltsam war wie seine unvermittelte Gewalt.
Als Brook ihr den Rücken zuwandte, mühte sich Angela auf die Beine und rannte zur Tür, doch seine Hand legte sich auf ihre, als sie den Türknopf berührte. Er umklammerte ihren Arm und schleuderte sie gegen
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