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Zuflucht Im Kloster

Zuflucht Im Kloster

Titel: Zuflucht Im Kloster Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ellis Peters
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erfüllte ihn. Die Versuchung, sich der Gefahr, die über seinem Haupt schwebte, durch Flucht zu entziehen, war groß. Dennoch wußte er die ganze Zeit, daß er diesen Weg nicht gehen würde. Daher mußte er den einzigen Ort erreichen, an dem er noch siebenunddreißig Tage lang sicher sein würde – hier, in der Nähe des Hauses, in dem Rannilt arbeitete, auf ihn wartete und für ihn betete.
    Er hatte schließlich Glück und mußte nicht einmal lange darauf warten. Einer der Laien, die im Kloster arbeiteten, hatte heute seinen Sohn taufen lassen und dieses Ereignis zusammen mit Verwandten und Freunden in seinem Haus gefeiert. Die Diener des Klosters, die Schafhirten und Stallburschen, die seine Gäste gewesen waren, kamen gesättigt und fröhlich die Straße, die durch die Klostersiedlung führte, hinunter auf das Torhaus zu, um in ihre Quartiere, die in dem Wirtschaftshof lagen, zurückzukehren. Liliwin sah sie kommen, und als sie nahe genug waren und gemächlich den Weg zum Torhaus einschlugen, wo sie sich von denen verabschiedeten, die in der Stadt wohnten, schlüpfte er aus seinem Versteck und mischte sich unter sie. Einer mehr fiel im Dunkeln nicht weiter auf. So kam er, ohne Argwohn zu erregen, ins Kloster und schlich sich drinnen zu seinem Lager im südlichen Vorbau der Kirche.
    Die Gefahr war vorüber – er war in Sicherheit. Dankbar betrat er die leere Kirche – es war noch eine Stunde bis zur Frühmette – und holte seine Decken aus dem Versteck hinter dem Altar.
    Er war so müde, gleichzeitig aber so wach, daß der Gedanke an Schlaf ihm widersinnig erschien. Als er aber seine neuen Kleider zusammengefaltet, sein Lager auf der Steinbank bereitet, und sich, noch immer zitternd, darauf ausgestreckt hatte, überfiel ihn der Schlaf so plötzlich, daß er kaum merkte, wie er sanft in der Dunkelheit versank.
    Bruder Cadfael stand eine halbe Stunde vor Beginn der Prim auf, um in seine Kräuterküche im Gartenhaus zu gehen, wo er am Abend zuvor Kräuterpastillen zum Trocknen ausgelegt hatte. Die Büsche und Kräuter in dem umfriedeten Kräutergarten glänzten noch von dem leichten Regen, der in der Nacht gefallen war, und funkelten im ersten Licht der aufgehenden Sonne. Wieder begann ein neuer, schöner Tag – ein guter Tag für die Aussaat, denn das Wetter war mild, und die Erde war feucht und durch die strengen Fröste des vergangenen Winterslocker und krümelig. Das waren die besten Voraussetzungen für das Keimen und Wachstum von Pflanzen.
    Er hörte die Glocke, die die Mönche zur Prim rief, und machte sich, nachdem er seine Pastillen in ein Gefäß gefüllt hatte, auf den Weg zur Kirche. Und dort, im Vorbau, war Liliwin, der seine Decken bereits ordentlich zusammengefaltet und seine geflickte Jacke mit einem neuen blauen Wams vertauscht hatte. Sein blondes Haar war naß und klebte an seinem Kopf, denn er hatte sich soeben gewaschen. Er hatte Cadfael noch nicht bemerkt, und dieser betrachtete ihm mit Wohlgefallen. Wo immer er sich auch gestern versteckt haben mochte – er war wieder hier, in Sicherheit, und legte obendrein eine Selbstachtung an den Tag, die, so kam es Cadfael jedenfalls vor, mit der Schuld, die man ihm anlastete, unvereinbar war.
    Bruder Anselm, dem die Anwesenheit seines Schützlings in der Kirche erst auffiel, als er beim Choral seine hohe, etwas zögernde Stimme vernahm, war ebenfalls beruhigt. Auch Prior Robert hörte Liliwins Stimme, blickte sich in ungläubigem Mißfallen um und runzelte die Stirn über Bruder Jerome, der ihn derart falsch informiert hatte. Sie hatten sich zu früh gefreut – der Dorn war noch nicht aus ihrem Fleisch entfernt.
    An diesem Tag pflanzten die Laienbrüder an der Gaye neue Setzlinge und säten ein neues Erbsenfeld ein, das Früchte tragen sollte, wenn das am Meole-Bach abgeerntet war.
    Cadfael ging nach dem Mittagessen hinaus, um die Arbeit zu begutachten. Nach dem leichten Regen, der während der Nacht gefallen war, war der Tag heiter und klar, aber die früheren Regenfälle hatten den Severn, der in den Bergen von Wales entsprang, anschwellen lassen, und das Wasser schwappte an den Stellen, wo die Wiese sich sanft zum Fluß hinabsenkte, über das Gras und unterhöhlte das Ufer an den steileren Stellen. Der Fluß stand eine Handlänge höher als vor zwei Tagen, aber im hellen Sonnenlicht schien es, als könne er badenden Kindern, geschweige denn erwachsenen Männern, nicht in mindesten gefährlich werden. Und dabei war der Severn nicht nur einer der

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