Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Zuflucht Im Kloster

Zuflucht Im Kloster

Titel: Zuflucht Im Kloster Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ellis Peters
Vom Netzwerk:
keine Angst vor ihr – sie wird mich in Schutz nehmen.«
    In der Dunkelheit eines Hauseingangs gegenüber dem Haus der Aurifabers zog er sie in seine Arme, und sie erwiderte die Umarmung. Beiden kam gleichzeitig der Gedanke, daß dies das letzte Mal sein könnte, daß sie einander im Arm hielten, aber sie klammerten sich aneinander, küßten sich und verbannten den Gedanken aus ihrem Bewußtsein.
    »Nun geh, geh, schnell! Ich werde warten, bis du im Haus bist.« Von dort, wo sie standen, konnte er den Durchgang überblicken und den schwachen Lichtschimmer sehen, der durch eines der Fenster fiel. Er löste sich aus ihrer Umarmung, faßte sie an den Schultern und schob sie von sich. »Lauf!«
    Sie war fort, war gehorsam über die Straße und durch den Durchgang geeilt und hatte dabei einen Augenblick lang den schwachen Lichtschimmer verdeckt. Dann war sie im Hof, und das Licht fiel auf sie, als sie an der Eingangstür vorbeikam.
    Einen Augenblick später war sie im Haus verschwunden.
    Liliwin blieb lange reglos im Hauseingang stehen und sah ihr nach. Die Nacht war sehr still und friedlich. Die Sehnsucht hielt ihn fest – er wollte sich noch nicht auf den Weg zum Kloster machen. Selbst als der Lichtschein im Hof verschwand, blieb er stehen und starrte in die Richtung, in die sie verschwunden war.
    Aber er hatte sich geirrt: Das Licht war nicht gelöscht, sondern von einem Mann verdeckt worden, der leise durch den Durchgang zur Straße schlich. Er war groß, kräftig und, nach seinem Schritt zu urteilen, jung, und außerdem schien er in Eile zu sein und schändliche oder zumindest zwielichtige Absichten zu haben, denn er hielt den Kopf unter der weit ins Gesicht gezogenen Kapuze gesenkt, bewegte sich vorsichtig und hielt sich, wenn möglich, tief im Schatten der Häuser.
    In Walter Aurifabers Haus wohnten nur zwei junge Männer, und einer, der erst kürzlich noch in ihrer Gesellschaft gesungen und Possen getrieben hatte, hatte keine Schwierigkeiten, die beiden auseinanderzuhalten. Obendrein verriet der schöne neue Mantel seinen Träger, mochte der auch noch so großen Wert darauf legen, unerkannt zu bleiben. Wohin wollte Daniel Aurifaber so eilig, drei Tage nach seiner Hochzeit und mitten in der Nacht?
    Liliwin verließ seinen Posten schließlich und ging durch die enge Gasse zurück zur Hauptstraße. Die huschende Gestalt hatte er aus den Augen verloren. Irgendwo in diesem Gewirr aus Gassen und Seitengassen war Daniel verschwunden, und Liliwin hatte keine Ahnung, was er vorhatte. Er setzte seinen Weg fort, erreichte das Stadttor und war kaum erstaunt, als er von einem Wächter angehalten wurde, der nicht so schläfrig war wie seine Genossen.
    »Nun, mein Junge? Das hat ja nicht lange gedauert. Um diese Zeit willst du wieder hinaus? Du läufst ja hin und her wie ein Hund auf dem Jahrmarkt.«
    »Ich habe nur mein Mädchen nach Hause begleitet«, sagte Liliwin, der es am einfachsten fand, bei der Wahrheit zu bleiben.»Und jetzt muß ich zurück ins Kloster. Ich arbeite dort.«
    Auch das stimmte. Insgeheim gelobte er sich, morgen noch eifriger zu sein, als Sühne dafür, daß er Bruder Anselm heute im Stich gelassen hatte.
    »Oh, du arbeitest für die Mönche?« Der Wächter lächelte gutmütig. »Paß nur auf, daß du keine voreiligen Gelübde ablegst, mein Junge, sonst kannst du dein Mädchen vergessen.
    Na gut – geh nur, und gute Nacht.«
    Er ließ das von flackernden Fackeln beleuchtete Stadttor hinter sich und ging auf die Brücke zu, die von flüssigem Silber eingefaßt zu sein schien. Ein leichter Wolkenschleier, durch den hier und da das Funkeln eines Sternes drang, lag über dem Himmel. Auf der anderen Seite des Flusses schlüpfte Liliwin wieder in das Gebüsch, das die Straße säumte. Es war beängstigend still. Je näher er dem Torhaus des Klosters kam, desto mehr fürchtete er, beim Überqueren der Straße die Aufmerksamkeit der Wachtposten auf sich zu ziehen. Das Westportal der Kirche und die offene Tür im großen Tor zum Kloster schienen gleichermaßen unerreichbar.
    Er blieb im Gebüsch und beobachtete die Klostersiedlung, und plötzlich überkam ihn erneut die Versuchung, er könne, da er ja nun einmal schon unbemerkt außerhalb der schützenden Klostermauern war und die ganze Nacht vor ihm lag, so viel Entfernung wie möglich zwischen sich und Shrewsbury legen und sich unter Leuten verbergen, die ihn nicht kannten. Er war klein und schwach und verängstigt, und ein übermächtiger Hunger nach Leben

Weitere Kostenlose Bücher