Zuflucht Im Kloster
Weidenzweigen und Leder, genau wie meins. Ich habe es gelassen, wo es ist. Mit diesen Dingern ist nicht zu spaßen«,
sagte Madog gleichmütig, »besonders, wenn man einen kräftigen jungen Lachs an der Leine hat. Die Frühjahrswanderung hat jetzt angefangen. Aber er kannte sich ja aus.«
»Es gibt viele, die sich auskennen und trotzdem ein Wagnis eingehen, das sie das Leben kostet.«
»Wohin sollen wir ihn bringen?« fragte Madog, der auf seine Arbeit ebenso stolz war wie jeder Handwerksmeister. »Zum Kloster? Das liegt am nächsten. Und Hugh Beringar muß benachrichtigt werden. Die Stelle brauchen wir wohl nicht zumarkieren – wir beide kennen sie, und sein Abdruck wird noch lange genug zu sehen sein.«
Cadfael dachte nach und traf eine Entscheidung. »Das beste wird sein, Ihr nehmt ihn mit – das steht Euch ohnehin zu. Ich werde zu Fuß gehen und Euch unterhalb der Brücke erwarten.
Wahrscheinlich werde ich nicht viel eher dort sein als Ihr. Legt ihn so hin, wie er jetzt da liegt, mit dem Gesicht nach unten, und achtet darauf, welche Spuren er im Boot hinterläßt.«
Mit Ertrunkenen kannte sich Madog mindestens ebenso gut aus wie Cadfael. Er sah den Mönch lange und nachdenklich an, behielt seine Gedanken jedoch für sich und bückte sich, um den Toten an den Schultern hochzuheben. Cadfael nahm die Knie. Gemeinsam legten sie ihn in das leichte Boot. Für jeden Leichnam, den Madog aus dem Fluß barg, erhielt er eine festgelegte Summe. Er hatte also wirklich ein Recht darauf, den Toten zu befördern. Diese Aufgabe war ihm schon vor langer Zeit zugefallen und nach und nach zu einer seiner Haupttätigkeiten geworden. Inzwischen verdiente er mit der Suche nach Ertrunkenen mehr als mit der Fischerei. Er fand, das sei eine anständige und nützliche Art, seinen Lebensunterhalt zu verdienen, und es gab viele Familien, die ihm dankbar dafür waren, daß er einen der Ihren gefunden und ihm zu einem christlichen Begräbnis verhelfen hatte.
Madog tauchte sein Paddel ein und arbeitete sich gegen die Strömung vor, wobei er jeden Vorteil, den der Fluß ihm bot, ausnutzte. Cadfael warf einen letzten Blick auf die kleine Bucht und die Grasfläche, auf der der Leichnam eben noch gelegen hatte, prägte sich alles gut ein und machte sich auf den Weg, um Madog an der Brücke zu erwarten.
Der Fluß war reißend und unberechenbar, und Cadfael traf soviel früher als Madog am vereinbarten Treffpunkt ein, daß er noch Zeit hatte, drei oder vier Novizen und Laienbrüder zu holen, bevor Madog mit seinem Boot am Ufer der Gaye landete. Sie hatten eine improvisierte Bahre gebaut, legten Baldwin Peche darauf und trugen ihn durch die Klostersiedlung und das Torhaus in das Kloster. Ein junger, flinker Novize war geschickt worden, dem Stellvertreter des Sheriffs von Bruder Cadfael auszurichten, er möge zum Kloster kommen.
Und dennoch – niemand wußte wie – hatte sich die Nachricht von Peches Tod bereits herumgesprochen. Als Madog das Ufer erreichte, standen ein Dutzend Schaulustige auf der Brücke und sahen zu. Als die Träger mit ihrer Last von der Hauptstraße zum Torhaus des Klosters abbogen, waren aus dem Dutzend bereits über fünfzig geworden, die bedrohlich schweigend auf das Tor zugingen, und hinter ihnen kamen noch weitere aus dem Stadttor. Als man den Leichnam durch das Tor trug, das ja vor allen, die schweigend und friedlich Einlaß begehrten, nicht gut geschlossen werden konnte, folgten der Bahre bereits vierzig oder fünfzig Menschen. Cadfael spürte ihre selbstgerechten, anklagenden Blicke, als die Bahre auf dem großen Innenhof abgesetzt wurde. Als er sich umwandte, um den Feinden – denn Feinde waren sie zweifellos – ins Auge zu sehen, war das erste Gesicht, in das er blickte, die erste drohend gerunzelte Stirn, das erste rachsüchtige Auge, das ihn anfunkelte, das von Daniel Aurifaber.
7. Kapitel
Dienstag – Nachmittag bis Nacht
Sie drängten sich um die Bahre, um Bestätigung für das zu finden, was sie ohnehin schon wußten. Mit unheilverkündendem Murmeln gaben sie das, was sie sahen, an die weiter, die hinter ihnen standen, und innerhalb weniger Augenblicke waren die abenteuerlichsten Spekulationen zu hören. Cadfael packte den ersten Novizen, der neugierig hinzutrat, am Ärmel.
»Hol Prior Robert, und zwar schnell! Bis Hugh Beringar eintrifft, brauchen wir jemanden, vor dem diese Meute Respekt hat.« Und zu den Trägern sagte er: »Bringt ihn in den Kreuzgang, solange das noch möglich ist, und
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