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Zuflucht Im Kloster

Zuflucht Im Kloster

Titel: Zuflucht Im Kloster Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ellis Peters
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den seine Freiheit ihr bringen würde. Liliwin hörte das eine ebenso deutlich wie das andere, und für einen Augenblick war auch er hin und her gerissen.
    Er zog sie tiefer in den Schatten der Bäume und schloß sie in seine Arme. »Nein! Ich werde mit dir kommen – allein bist du nicht sicher. Du weißt nicht, was nachts in einer dunklen Gasse passieren kann. Ich werde dich nach Hause bringen. Das muß ich, und das will ich!«
    »Aber verstehst du denn nicht…?« Verzweifelt schlug sie mit ihrer kleinen Faust gegen seine Brust. »Du könntest jetzt fliehen und diese Stadt hinter dir lassen. Du hättest eine ganze Nacht Vorsprung. Eine zweite Gelegenheit wie diese wirst du nicht mehr haben.«
    »Und soll ich dich etwa auch hinter mir lassen? Soll ich so tun, als wäre ich ein Räuber, wie sie sagen?« Er faßte ihr Kinn mit seiner zitternden Hand und zwang sie mit sanfter Gewalt, ihn anzusehen. »Willst du, daß ich gehe? Willst du mich nie mehr wiedersehen? Wenn es das ist, was du willst, dann sag es, und ich werde gehen. Aber sprich die Wahrheit. Lüg mich nicht an!«
    Sie stieß einen tiefen Seufzer aus und schloß ihn leidenschaftlich in ihre Arme. »Nein! Nein!« flüsterte sie. »Ich will, daß du in Sicherheit bist… Und ich will dich!«
    Sie weinte, und er hielt sie in seinen Armen und flüsterte ihr tröstende Worte ins Ohr. Dann setzten sie ihren Weg fort, denn diese Frage war geklärt und würde nicht ohne einen schwerwiegenden Grund noch einmal angeschnitten werden.
    Sie gingen über die Brücke auf das Stadttor zu. Das rötliche Licht der beiden Fackeln, die rechts und links davon in Halterungen steckten, wurde von der sanft gekräuselten Oberfläche des Severn reflektiert. Die Wachen hatten es sich bequem gemacht und griffen nur ein, wenn Raufbolde oder widerspenstige Betrunkene Streit suchten. Zwei sittsame, ordentliche junge Leute, die es eilig hatten, nach Hause zu kommen, wurden von ihnen nur mit einem kurzen Blick und einem freundlichen Gruß bedacht.
    »Siehst du«, sagte Liliwin, als sie auf der gewundenen Hauptstraße bergauf stiegen, »es war gar nicht so schwer.«
    »Nein«, antwortete sie sehr leise.
    »Und genauso leicht werde ich auch wieder ins Kloster hineinkommen. Vielleicht kommen Reisende noch spät in der Nacht an, und ich kann so tun, als ob ich zu ihnen gehörte.
    Wenn keine kommen, werde ich heute nacht draußen schlafen, und in diesen Kleidern kann ich mich morgen früh hineinschmuggeln, wenn mehr Menschen unterwegs sind.«
    »Du könntest jetzt immer noch fliehen«, sagte sie, »wenn du dich erst von mir verabschiedet hast.«
    »Aber ich werde dich nicht verlassen. Wenn ich von hier aufbreche, wirst du mit mir kommen.«
    Er wußte, daß es sein Trotz war, der ihn dazu brachte, dem Schicksal die Stirn zu bieten, und doch sprach er aus tiefstem Herzen. Es mochte sein, daß er ein schmähliches Ende nahm, es mochte sein, daß er wie ein Reiher dem Vogelsteller zum Opfer fiel – aber bis jetzt war sein Name, so niedrig und bescheiden der auch sein mochte, nie durch eine Anschuldigung wegen eines Diebstahls oder einer Gewalttat beschmutzt worden, und Liliwin war bereit, ein Wagnis auf sich zu nehmen, damit das so blieb; und nun stand für ihn sogar etwas noch Wertvolleres auf dem Spiel. Nein, er würde nicht versuchen zu fliehen. Er würde bleiben und entweder gewinnen oder alles verlieren.
    An der Kreuzung wandten sie sich nach rechts. Diese Gasse war enger und dunkler als die Hauptstraße, und mindestens einmal wich eine finstere, heimliche Gestalt vor ihnen in eine Seitengasse, vielleicht abgeschreckt dadurch, daß sie zu zweit waren, denn selbst wenn einer mit dem ersten Schlag niedergestreckt wurde, konnte der zweite noch laut genug schreien, um die Anwohner zu wecken. Zwar gab es Nachtwächter in Shrewsbury, aber jeder, der nachts allein unterwegs war, mußte mit dem Überfall eines skrupellosen Räubers rechnen, denn die Wächter konnten nicht überall sein.
    Rannilt bemerkte nichts. Ihre Angst um Liliwin war nicht auf eine unmittelbare Gefahr gegründet.
    »Werden sie dich bestrafen, weil du zu spät gekommen bist?« fragte er sie besorgt, als sie sich Walter Aurifabers Laden und dem Durchgang, der auf den Hof führte, näherten.
    »Sie hat gesagt, ich dürfe den ganzen Tag fortbleiben, wenn ich dadurch von meinem Kummer geheilt wäre.« Die Nacht verbarg ihr Lächeln. Sie war keineswegs geheilt, aber für alle Fragen gewappnet. »Sie hat Verständnis für mich. Ich habe

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