Zugzwang
Hose.«
Daniel sah ein, dass er seinen Kollegen nicht umstimmen konnte. Er nötigte ihm jedoch das Versprechen ab, sein Handy ständig eingeschaltet zu lassen. Anschließend bezahlten sie und gingen. Daniel wollte noch zu Holsten, Joshua in sein Büro, die Dienstwaffe holen.
Es war siebzehn Uhr fünfundvierzig, als Kalle das Büro betrat.
»Ich habe gerade die Berichte von heute durchgelesen …«
»Ja schon gut, du bekommst meinen morgen früh«, fiel Joshua ihm ins Wort.
»Das meine ich nicht. Dabei ist mir ein gewisser ›Capablanca‹ aufgefallen, der bei Schändler auf der Gehaltsliste steht.«
»Soll wahrscheinlich ›Casablanca‹ heißen«, murmelte Joshua, während er eine Zeitungsmeldung auf seinem Schreibtisch überflog. Die PdV lag mittlerweile nach Meinungsumfragen mit achtundvierzig Prozent weit vorne, prangte es von der Titelseite. CDU und SPD boten sich bereits als mögliche Koalitionspartner an.
»Das glaube ich nicht. José Raoul Capablanca war ein genialer Schachspieler, einer der b esten überhaupt, in den z wanzigerjahren sogar lange Zeit Weltmeister.«
Joshua blickte hoch, er konnte sich keinen Reim auf die Andeutungen von Kalle machen. Sein Kollege setzte sich nun ihm gegenüber auf den Stuhl von Daniel und sah Joshua fordernd an.
»Unser Staatsanwalt ist ein leidenschaftlicher Schachspieler.«
»Davon gibt es viele.«
»Und wie viele davon tragen den Spitznamen ›Capablanca‹?«
»Wie kommst du jetzt darauf?«
»Ich habe mich auf der Homepage von Königs Schachverein umgesehen. Bei seinen Partien steht der Name Engelbert ›Capablanca‹ König. Ich habe eben dort angerufen. Er trägt tatsächlich diesen Spitznamen, weil er liebend gerne Partien dieses alten Meisters nachspielt und alle damit nervt. Was sagst du jetzt?«
Joshua lehnte sich zurück. Er zog ein Päckchen Tabak aus seiner Jackentasche und begann eine Zigarette anzufertigen. Sollte der Staatsanwalt tatsächlich für die Gegenseite arbeiten? Ausgerechnet König, dieser hochpenible Paragraphenreiter?
»Fragt sich, mit wem wir darüber reden können. Am Ende sind nur noch wir beide auf der richtigen Seite«, Kalle wirkte fahrig.
»Es würde zumindest sein merkwürdiges Verhalten in der letzten Zeit erklären«, Joshua dachte für einen Augenblick daran, König zur Rede zu stellen, verwarf den Gedanken allerdings sofort wieder.
»Wir sollten ihn überprüfen, ganz vorsichtig natürlich.«
Er gab Kalle Recht. Das Problem war, dass der Staatsanwalt nicht an feste Dienstpläne gebunden war, anhand derer man Alibis hätte überprüfen können. Überhaupt konnten sie diese Aufgabe nicht im Alleingang erledigen.
Nora und Jack konnte er in jedem Fall vertrauen. Sie gingen zu den beiden herüber. Jack runzelte die Stirn, als Kalle ihm seine Vermutungen mitteilte. Es erschien ihm alles reichlich dünn.
»Seid doch mal ehrlich. Aufgrund einer Namensgleichheit gegen den leitenden Staatsanwalt ermitteln, ich weiß nicht.«
Joshua sah Kalle mit einem Ausdruck an, den dieser als Vorwurf deutete.
Abwehrend hob er seine Hände.
»Okay, okay. War ja nur so eine Idee.«
»Jetzt sei nicht gleich beleidigt. Der Name ist ja nun mal selten.«
Kalle seufzte vernehmlich und ging wortlos hinaus. Dabei schüttelte er unentwegt seinen Kopf.
Jack deutete seinem Freund an, sich zu setzen.
»Es gibt neue Erkenntnisse, die uns zwingen, umzuplanen. Spezialisten vom BND haben mehrere CDs untersucht. Ein ehemaliger Mitarbeiter von euch, Werner Verheugen, hat sie heute Morgen beim LKA abgegeben. Sie wurden für Manipulationen auf der Trabrennbahn Dinslaken verwendet. Auf ihnen waren, oberflächlich betrachtet, Musiktitel. Bei genauerer Untersuchung fanden sie dann Fremdsignale im Ultra-Hochfrequenz-Bereich. Sie arbeiten weiter mit unseren Leuten zusammen an der Entschlüsselung. Nach wie vor fehlt uns die genaue Frequenz, um entscheidend weiterzukommen.«
Jack Holsten ging zur Fensterbank und schüttete sich einen Kaffee ein.
»Wir haben den jungen Mann festgenommen, der diese Manipulationen durchgeführt hat. Er will von nichts wissen. Nur soviel: Die CD-Roms sind in einem Forschungslabor in Kamp-Lintfort produziert worden. Ich werde morgen früh als e rstes eine Durchsuchungsanordnung besorgen. Diesmal kommt König nicht mehr daran vorbei.«
Joshua sprang hoch.
»Dann werde ich mich mal auf den Weg machen. Morgen früh ist es vielleicht zu spät. Wir müssen handeln, bevor sie gewarnt werden und alle Beweise vernichten.«
»Halt.
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