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Zugzwang

Zugzwang

Titel: Zugzwang Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Erwin Kohl
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Daniel zog Joshua zu sich heran und flüsterte: »Ruf den König an und entschuldige dich. Wie ich den kenne, wird der ein Riesending daraus machen. Vielleicht kannst du noch was hinbiegen. Stress und so.«
    »Hinbiegen? Ich hör wohl nicht richtig?«, Joshua sprach in einer Lautstärke, die alle mithören ließ, »der ist doch schuld an allem. Rosi Schändler würde noch leben ohne seinen Bockmist. Das werde ich ihm sagen und nichts anderes!«
    »Wenn du da mal nicht den Kürzeren ziehst«, gab Kalle zu bedenken. Seine Gestik drückte Sorge um seinen Kollegen aus.
    Im Auto erzählte er seinem Vater von dem Faustschlag gegen den Staatsanwalt. Seine Wut auf den Advokaten sprudelte nur so aus ihm heraus. Besonders die Tatsache, dass sein Dienststellenleiter sich während der ganzen Ermittlungen so distanzierte, regte ihn auf. Der Senior strich sich mit der Hand das schüttere Haar nach hinten.
    »Das ist typisch für Elsing«, er arbeitete damals als Hauptkommissar unter seinem Vater, »das mochte ich noch nie an ihm. Nach oben kuschen und nach unten austeilen. Der Staatsanwalt hat ihm zwar wenig zu sagen, aber Beziehungen. Das reicht für Elsing ...«
    Joshua pflichtete ihm nickend bei.
    »Trotzdem hast du ein Problem. Wenn die beiden zusammenhalten und das werden sie, bist du deinen Posten so gut wie los.«
    Joshua wusste genau, was auf ihn zukommen würde. Anzeige wegen Körperverletzung, Disziplinarverfahren und so weiter. Den Fall würde er abgeben müssen. Ausgerechnet jetzt und nachdem seine Vermutung sich auf so schmerzvolle Weise bewahrheitet hatte. Die Kollegen von der Spurensicherung räumten ihre Sachen zusammen.
    Joshua überlegte, ob er jemals wieder in diesem Haus würde schlafen können. Ihm schossen die Bilder von Rosi durch den Kopf. Sie hatte ihm vertraut und er führte sie in den Tod. Eine große Leere breitete sich in ihm aus. Er konnte keinen vernünftigen Gedanken mehr fassen. Wie ferngesteuert schlurfte er zum Kühlschrank und nahm sich eine Flasche Bier. Joshua ging in den Wintergarten und setzte sich zu seinem Vater.
    »Ich weiß nicht, wie du dich jetzt fühlst. Ich habe so was nur in der Theorie durchgemacht. Man sagte uns immer, Ablenkung sei die wirksamste Hilfe. Also: Warum haben die Täter sich nicht unterhalten?«
    Das nennt er Ablenkung, war der erste Gedanke, den sein Verstand wieder aufnahm. Sofort kamen weitere hinzu.
    »Vielleicht hättest du die Stimmen erkannt?«
    »Hm. Das glaube ich nicht. Es waren Profis, da bin ich mir sicher. Und in solchen Kreisen verkehre ich nicht.«
    »Aber du hättest die Stimmen wieder erkennen können.«
    »Das bedeutet, sie wollten uns schonen. Warum?«
    »Du hast Recht. Ich meine, sie gingen bisher mit äußerster Brutalität vor. Warum musste Rosalinde Schändler sterben? Wir haben sie bereits vernommen, das ergibt doch keinen Sinn?«
    »Mord ergibt nie einen wirklichen Sinn.«
    Gunther Trempe schüttete sich ein Glas Rotwein ein und zündete die Zigarre an, die in seinem Mundwinkel hing.
    »Nehmen wir mal an, sie wussten, dass du Polizist bist und dein Vater ein pensionierter Polizist. Das würde bundesweit für Aufregung sorgen, erst recht in Verbindung mit den drei übrigen Morden. Es ist traurig, aber der Fall würde dann mit einer besonderen Intensität verfolgt.«
    Joshua trank sein Bier aus der Flasche. Er hatte ihr soeben den letzten Schluck entnommen, als die Kollegen von der Spurensicherung sich verabschiedeten. Wie würden die anderen sich morgen verhalten? Würden sie sich von ihm distanzieren, ihn fallenlassen? Oder würden sie jetzt erst recht an ihn glauben und ihn stützen? Wie würde Winnie reagieren. So, wie sein Vater ihn beschrieb, wird er wohl seine Dienstwaffe und den Ausweis einkassieren. Das durfte nicht geschehen. Joshua wollte die Mörder um jeden Preis stellen. Auf dem Hof schlugen Autotüren zu. Er war nun mit seinem Vater alleine in dem großen Haus. Joshua zuckte zusammen. Ihm fiel Janine ein. Sie würde sich vermutlich wieder große Sorgen machen. Er zog sein Handy aus der Innentasche seiner Lederjacke und tippte ihre Nummer ein.
    »Trempe.«
    Sie sprach den Namen sehr schnell, hastig aus. Joshua berichtete ihr so beruhigend wie möglich von den Ereignissen. Als er Rosalinde Schändler erwähnte, stockte ihm der Atem. Für Sekunden konnte er nicht mehr weiterreden. Seine Frau verstand sofort.
    »Es ist bestimmt nicht deine Schuld.«
    »Ja … ich melde mich wieder.«
    Er steckte das Handy ein und sah mit leerem Blick

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