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Zugzwang

Zugzwang

Titel: Zugzwang Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Erwin Kohl
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junger dunkelhäutiger Arzt stand am Bett seiner Mutter. Sein Vater drängelte sich an ihm vorbei. Sie hatte einen Schlauch in der Nase, war an einem Gerät angeschlossen. In ihrem rechten Arm steckte eine Kanüle, durch die sie eine Infusion bekam. Der Arzt sah zu ihnen auf.
    »Guten Abend. Sind Sie Angehörige?«
    »Ja, ich bin der Ehemann und das ist mein Sohn«, antwortete sein Vater, den Blick nur kurz von seiner Frau abwendend.
    »Wir haben ihr ein starkes Beruhigungsmittel gegeben. Sie hat einen schweren Schock. Normalerweise müsste sie auf die Intensivstation, aber dort ist zur Zeit alles belegt. Auf alle Fälle braucht sie jetzt absolute Ruhe!«
    Joshua und sein Vater sahen den Mediziner mit sorgenvoller Miene an.
    »Das wird schon wieder«, versuchte er sie zu beruhigen, »in ein paar Tagen ist sie wieder auf dem Damm. Sie können jetzt nichts für sie tun.«
    Der Arzt kam um das Bett und legte seinen ausgestreckten Arm um die beiden Männer. Mit sanftem Druck schob er sie zurück.
    »Bringst du mich nach Hause?«
    Joshua stutzte. Er hatte nicht erwartet, dass sein Vater sich so leicht abwimmeln ließ. Ihm war es recht, seine Mutter war hier bestens aufgehoben. Auf dem Weg durch die Eingangshalle des Krankenhauses kamen ihnen Daniel und Kalle entgegen. Sie machten ernste Gesichter. Joshua war klar, warum sie hier waren. Der Überfall war nicht lange her. Die Chance, den oder die Täter zu fassen, sank von Minute zu Minute. Sie brauchten jetzt dringend die Aussage seines Vaters. Einige Minuten später saßen sie im Foyer des Krankenhauses. Joshua gab seinen Kollegen ein Zeichen und befragte seinen Vater.
    »Sie waren zu zweit. Beide ungefähr einen Meter achtzig groß und stämmig. Es ging alles sehr schnell. Einer der beiden hielt uns mit seiner Waffe in Schach, der andere durchsuchte das Haus. Auf einmal fielen mehrere Schüsse. Ich rannte los, wollte zu dem Mädchen. Der andere schoss auf mich und ich stürzte. Sie rannten aus dem Haus und weg waren sie.«
    Sein Vater blieb erstaunlich ruhig und sachlich.
    »Hast du sie erkannt?«
    »Nein, sie hatten Motorradmasken auf. Schwarze Masken, die unten mit einem roten Band abschlossen. Es waren keine neuen Masken. Ich meine, etwas gräulich waren sie schon. Als ob sie bereits mehrmals gewaschen wurden. Die Täter waren groß und stabil, trugen schwarze Kleidung. Mehr weiß ich leider nicht, aber ich habe das Autokennzeichen. Das habe ich mir notiert, als sie auf den Hof kamen. Mache ich bei jedem fremden Fahrzeug, aber das weißt du ja. Es handelte sich um einen weißen Mercedes.«
    Joshua hatte sich immer über die Marotte seines Vaters lustig gemacht. Er sagte immer, dass sein Vater jedes Postauto am Kennzeichen erkennen würde. Diesmal konnte es der entscheidende Hinweis sein. Obwohl er daran zweifelte. Joshua dachte darüber nach, warum sie seine Eltern leben ließen. Das konnte nur bedeuten, dass sie ihnen nicht gefährlich werden konnten. Das Fahrzeug der Täter war sicherlich gestohlen.
    Daniel notierte sich das Kennzeichen und zückte sein Handy. Mit dem Telefon am Ohr ging er vor das Portal der Klinik.
    »Wenigstens bestätigt dieser Überfall deine Theorie, dass Groding nicht der Mörder war«, konstatierte sein Vater trocken. Kalle sah Joshua an. Dieser Satz von seinem Vater schien ihn zu verwundern. Er wusste von dessen beruflichen Karriere und dass Joshua sich oft mit ihm über einen Fall unterhielt, schien aber selbst noch gar nicht auf den Gedanken gekommen zu sein.
    »Verdammter Mist! Wir hätten dir von Anfang an glauben sollen, vielleicht wäre das dann nicht passiert.«
    Joshua nickte stumm. Daniel kam nach einer Minute wieder herein.
    »Das Fahrzeug gehört einem gewissen Albert Bechter. Dieser hat den Wagen letzte Woche schon als gestohlen gemeldet.«
    »War mir klar«, antwortete Kalle, »sonst säßen wir wohl nicht hier mit Herrn Trempe.«
    Kalle sah Joshuas Vater an und schluckte.
    »Oh, Entschuldigung …«
    »Schon gut. Ich war lange genug bei euch. Ich werde natürlich versuchen, mich an jede Kleinigkeit zu erinnern, jedes Detail. Zum Beispiel fällt mir auf, dass sie es vermieden zu sprechen, das könnte vielleicht wichtig sein. Und wenn mir noch irgendwas einfällt, melde ich mich. Jetzt würde ich gerne nach Hause, ich hatte einen anstrengenden Tag.«
    Er deutete ein Grinsen an. Sein Humor wirkte aufgesetzt. Kalle und Daniel standen sofort auf. Sie erkundigten sich noch nach Joshuas Mutter und verabschiedeten sich voneinander.

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