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Zugzwang

Zugzwang

Titel: Zugzwang Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Erwin Kohl
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sichtbar. Halogenstrahler leuchteten alles aus, durchsetzt vom flackernden Blaulicht der Einsatzfahrzeuge. Das Bild brannte sich in sein Hirn. Er fühlte sich wie mitten in einem Albtraum. Ein Kollege der Verkehrssicherung sperrte die Zufahrt zum Hof ab. Joshua schoss um ihn herum. Auf dem Hof rutschte sein Wagen in einen Holunderstrauch. Joshua sprang aus dem Fahrzeug und rannte zum Haus. Daniel kam ihm entgegen.
    »Wo sind meine Eltern?«, schrie er ihn an.
    »Im Krankenhaus, halb so schlimm. Beruhige dich. Dein Vater hat einen Streifschuss und deine Mutter einen Schock.«
    Joshua atmete tief durch. Seine Befürchtungen waren der blanke Horror. Langsam fasste er den ersten klaren Gedanken.
    »Wo ist Rosi?«
    »Jetzt beruhige dich doch erstmal, Joshua. Dich trifft keine Schuld.«
    Joshua sah ihn mit starrem Blick an. Hinter van Bloom kamen zwei Männer aus dem Haus. Sie trugen einen einfachen, hellgrauen Sarg. Joshua schlug die Hände vor sein Gesicht. Seine Ehe war ihm wichtiger wie das Leben dieses Mädchens. Die Welt schien sich um ihn herum zu drehen. Ihm kam es so vor, als würden alle mit dem Finger auf ihn zeigen. Wie konnte er die Verantwortung für das Leben dieses Menschen nur seinen Eltern übertragen. Er hatte sie auf dem Gewissen und seine Eltern zusätzlich in Lebensgefahr gebracht. Sein Körper bebte. Daniel hatte seinen Arm auf seine rechte Schulter gelegt. Er spürte ihn nicht. Er nahm nur allmählich wahr, wie sein Kollege beruhigend auf ihn einredete. In seinem Gehirn befanden sich nur noch Bruchstücke von Gedanken. Mit seinem inneren Auge blickte er durch ein Kaleidoskop. Joshua spürte, wie sein Kreislauf verrückt spielte.
    Langsam und ohne den geringsten Einfluss auf sein Gefühl kehrte sein Entsetzen, seine Ohnmacht sich in Wut um. Wer tat so etwas? Wer konnte nur so brutal vorgehen? Vor seinen Augen drehte sich alles, seine Knie wurden weich, seine Hände begannen zu zittern. Daniel legte einen Arm um seine Hüfte und hielt ihn fest.

    Mittlerweile waren Elsing und Staatsanwalt König eingetroffen. Daniel hielt seinen Kollegen am Arm. Nach einigen Sekunden war er wieder Herr seiner Sinne. Als er den Staatsanwalt sah, kam unkontrollierbare Wut in ihm hoch. Sein Blick verfinsterte sich, er versuchte sich langsam, von Daniel zu lösen.
    »Besser, du verschwindest jetzt ganz schnell, bevor du die Beherrschung verlierst«, zischte Daniel ihm zu.
    Joshua riss sich mit einem Ruck von seinem Kollegen los, als König auf ihn zukam. Man hatte den Staatsanwalt offensichtlich schon bestens informiert. Er trug eine weinrote Strickjacke, die seinen korpulenten Körper noch fülliger erscheinen ließ. Ohne Begrüßung fuhr er Joshua an.
    »Trempe, ich bin sehr gespannt auf Ihre Erklärung. Was hat das zu bedeuten? Was bilden Sie sich eigentlich ein? Dafür sind Sie …«
    Er konnte seinen letzten Satz nicht mehr aussprechen. Joshuas rechte Faust donnerte mit Wucht in sein Gesicht. Elsing wollte den taumelnden Staatsanwalt noch auffangen, aber es gelang ihm nicht. Der Länge nach und mit aufgeplatzter Oberlippe landete er auf dem staubigen Boden des Hofes. Das Stimmengewirr der Kollegen verstummte. Elsing sah nacheinander den Staatsanwalt und Joshua fassungslos an. Dieser verschwand wortlos in sein Auto und fuhr vom Hof.
    Unterwegs telefonierte Joshua mit zwei Krankenhäusern und fuhr schließlich zum Alexianer. Sein Vater kam gerade aus der Notaufnahme. Sein rechter Oberarm war von einem dicken Verband umhüllt. Er rannte zu ihm.
    »Vater, es … es.«
    »Schon gut, wo ist deine Mutter?«
    Joshua wusste es nicht. Er fragte einen vorbeilaufenden Arzt. Aber dieser konnte ihm nicht helfen. Völlig von Sinnen lief er durch die Flure des Krankenhauses. Seine Umwelt nahm er nur noch durch einen Schleier der Verzweiflung wahr. Eine OP-Schwester gab ihm schließlich die Auskunft, seine Mutter sei auf die Station gebracht worden. Nachdem Joshua an der Anmeldung die Zimmernummer und Station erfuhr, stand er mit seinem Vater im Aufzug.
    »Joshua, es tut mir Leid, ich habe versagt.«
    »Wie bitte? Wie kommst du denn da drauf?«
    »Ich konnte das Mädchen nicht beschützen.«
    »Du hattest keine Chance.«
    Sein Vater schien ebenfalls einen leichten Schock zu haben. Seine Augen wirkten glasig. Er hatte darauf bestanden, nur ambulant behandelt zu werden. Als sie den Aufzug verließen, nahm Joshua seinen Unterarm, um ihn zu stützen. Er zog ihn weg.
    »Ich bin nicht gebrechlich.«
    Die Zimmertür stand weit auf. Ein

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