Zugzwang
Vier Morde und ich soll mich verdrücken? Ich gehe nicht eher in Urlaub, bis dieser Fall geklärt ist!«
»Joshua«, seine Stimme wurde eine Spur energischer, »erstens sind es bis jetzt drei Morde und zweitens bin ich ehrlich gesagt der Meinung, dass du zur Zeit nicht in der Lage bist, diese aufzuklären.«
»Das bin ich sehr wohl. Außerdem glaubst du doch wohl selber nicht an den Selbstmord von Groding?«
Elsing schlug mit der flachen Hand auf den Tisch.
»Verdammt noch mal, entweder nimmst du jetzt Urlaub, oder ich versetze dich vorübergehend zur Sitte!«
Joshua stand auf, warf Winnie einen abfälligen Blick zu und verließ wortlos das Büro. Daniel staunte nicht schlecht, als Joshua ihm von dem Gespräch berichtete.
»Das gibt es doch nicht. Der Fall fängt jetzt erst richtig an und der Alte schickt dich in Urlaub?«
Keine Sekunde schien er daran zu denken, dass er es wäre, der eventuell die Ermittlungen leiten würde. Sie mussten jetzt so schnell wie möglich eine große Sonderkommission auf die Beine stellen. Er schien leicht verwirrt.
»Was ist denn nun? Fährst du weg, oder …«
»Keine Bange, es bleibt alles beim Alten«, unterbrach Joshua ihn.
»Ich muss mich noch bei dir entschuldigen. Du hattest wohl von Anfang an Recht. Ich habe mit einem Bekannten vom LKA telefoniert. Der sagte, Schändler besaß große Anteile an BioPharmaca.«
Joshua verstand kein Wort. Daniel klärte ihn über das Gespräch mit seinem Freund auf, ohne ihn beim Namen zu nennen und über die sensationellen Kursschwankungen dieser Firma. Als er von dem Millionengewinn hörte, den Schändler dadurch erzielte, wurde er hellhörig.
»Gehörte diese BioPharmaca zu den Kunden Schändlers?«
»Habe ich schon überprüft, die taucht dort nirgendwo auf.«
Joshua setzte sich auf die Stuhlkante und strich sich eine Strähne aus dem Gesicht. Ein Frisörbesuch war wieder fällig. Heute Morgen hatte er seine Haare hinten zu einem Zopf gebunden.
»Kann dieser Aktiengewinn kein Zufallstreffer sein?«
»Halte ich für völlig ausgeschlossen. Ich hätte nicht einen Euro in die Firma gesteckt und ich kenne mich ein bisschen damit aus. Joshua, der Schändler hat zwei Millionen Euro genau zum richtigen Zeitpunkt investiert und fast zum günstigsten Zeitpunkt verkauft. Das stinkt verdammt nach Insiderkenntnissen.«
»Wäre das ein Motiv? Ich meine, schadet er jemandem damit?«
»Nein, der Wert der Aktien ist ja sozusagen fiktiv zu sehen. Wer sollte sich beschweren, wenn sein Geld sich plötzlich vermehrt. Gut, hinterher, als das Papier genauso schnell wieder abstürzte, kamen alle aus den Löchern, die versäumt haben, rechtzeitig zu verkaufen. Aber Verlust, vom Ausgangskurs ausgehend, haben sie auch nicht großartig gehabt. Verloren haben diejenigen, die in der Hochphase des Wertpapiers eingekauft haben. Aber wer bei einem derart hohen Kurs kauft, kalkuliert ein gewisses Risiko mit ein.«
Joshua tippte den Namen der Firma in eine Suchmaschine des Internets ein. Sekunden später notierte er sich Adresse und Telefonnummer. Er nahm sich vor, direkt am nächsten Morgen dorthin zu fahren.
Joshua schrieb seinen Bericht und rief Kalle an. Zehn Minuten später trafen sie sich im Aufenthaltsraum. Marlies musste nach Hause. Ihre Eltern waren heute zu einem Geburtstag in der Nachbarschaft eingeladen und konnten nicht auf ihren Sohn aufpassen. Die Kollegen tolerierten es, dass sie gelegentlich ausfiel, um sich ihren Mutterpflichten zu widmen. Lediglich Winnie ließ ab und an eine Bemerkung fallen, dass dieser Beruf nichts für allein erziehende Mütter wäre. Viktor brachte einen Kuchen mit und Daniel kochte gerade Kaffee. An Sonntagsschichten machten sie den Dienst so erträglicher. Während Daniel heißes Wasser in den Filter goss, sah er Kalle mit gerunzelter Stirn an. Kalle hatte vor einem Monat eine moderne Espressomaschine für weniger als den halben Preis bei Ebay ersteigert. Die Kollegen legten alle dafür zusammen. Seit zwei Wochen versuchte die Haustechnik nun, das edle Gerät wieder funktionstüchtig zu machen. Dass es keine Garantie auf diesen Privatkauf gab, erwähnte Kalle nicht, als er mit der Kaffeedose sammeln ging.
Joshua erzählte seinen Kollegen von dem Disput mit König und Elsing. Kalle verzog das Gesicht, als hätte Viktors Frau beim Backen Salz und Zucker verwechselt.
»Also König wird bestimmt nicht mehr dein Freund.«
»Das muss er ja auch nicht«, meldete sich Daniel, »aber er kann ihm jetzt verdammt viel Ärger
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