Zugzwang
gehörigen Anteil und musste verschwinden. Vielleicht musste die Familie Schändler sterben, weil sie zu viel wusste. Joshua fühlte sich, als hätte jemand einen Schmutzfilm von seinen Augen entfernt. Die Rolle von BioPharmaca war nun klar. Über diese Firma beschafften sie sich das nötige Kapital und hatten gleichzeitig die Chance für einen Großversuch. Seine Gedanken wurden vom Klingeln seines Handys unterbrochen.
»Jack hier, was gibt es denn so d ringendes, Kollege?«
»Kollege? Heißt das …«
»Ja, du gehörst ab morgen zu uns. Hat man dir noch nichts gesagt?«
Joshua ließ sich erleichtert in den ledernen Bürostuhl zurückfallen. Er erzählte Jack von seinen Gedanken zu dem Fall. Dieser konnte seine These nachvollziehen, wollte aber nicht an die Möglichkeit glauben, Menschen derart beeinflussen zu können.
»Allerdings ist bei diesen Dimensionen ein Mordmotiv mehr als denkbar. Warten wir ab, was unsere Experten morgen dazu sagen.«
Joshua wählte die Durchwahlnummer von Marlies. Er wollte wissen, ob König die Durchsuchungsanordnung schon unterschrieben hatte.
»Nein, obwohl Daniel ihn schon heute Morgen darum gebeten hatte. Ich werde gleich mal zu ihm gehen. Was anderes, war Daniel in dem Raum, in dem Till Groding lag?«
»Nein, er hat draußen gewartet, warum?«
»Merkwürdig …«
»Was meinst du?«
Marlies schien es unangenehm zu sein, weiterzureden. Ihre Worte klangen bedrückt.
»Der endgültige Bericht ist heute Morgen gekommen, und … na ja, sie haben in dem Staub praktisch nur zwei Fußspuren gefunden. Deine und einmal Größe dreiundvierzig, glatte Sohle.«
»Du meinst, Daniel war in dem Raum?«
»Ich sage dir nur, was hier steht«, ihre Stimme klang jetzt irgendwie erleichtert, »scheint so, als trage der Täter die gleichen Schuhe wie Daniel.«
Er hielt Marlies’ Anspielungen für eine Überreaktion. Sie tappten seit Tagen völlig im Dunkeln. Marlies war noch nicht so erfahren. Sie zählte eins und eins zusammen, ohne die einzelnen Fakten zu hinterfragen.
»Marlies, kannst du dir vorstellen, wie viele Schuhe es in der Größe dreiundvierzig und mit einer glatten Sohle gibt? Haben sie sonst nichts entdeckt, was uns weiterhelfen könnte?«
Er vernahm ein deutliches Seufzen.
»Eventuell. Sie haben ein paar Fremdfasern an der Leiche von Groding gefunden. Es handelt sich dabei, Moment«, er hörte Papier rascheln, »um hochverzwirnte Schurwolle. Sie wird in der Form bislang nur von der Firma Burberrys verarbeitet. Ich habe mal im Internet recherchiert. Ein Sakko dieser Firma kostet alleine schon an die tausend Euro. Unser Mörder scheint also einen exquisiten Geschmack zu haben.«
»Wenn er den gleichen Schuhgeschmack wie Daniel hat, auf jeden Fall. Der zahlt dreihundert Euro für ein Paar.«
Joshua machte sich auf den Weg nach Düsseldorf. Vorher telefonierte er noch mit Daniel und bat ihn darum, ihm rechtzeitig vor der Durchsuchung von Skopjes Wohnung Bescheid zu geben. Joshua wollte noch einmal zur Firma Schändler. Till Groding war ein Einzelgänger. Wer konnte also von seinen Morddrohungen gegen Schändler wissen außer seinen Kollegen? Er musste irgendetwas über das Privatleben von Groding herausbekommen. Sein Mörder kam aus seinem direkten sozialen Umfeld, war Joshua sich sicher. Außerdem konnte er dort auch eventuell etwas über den Verbleib von Skopje erfahren. Das Radio war aus, er vernahm das Ticken der Borduhr und hoffte, dass er gegen drei Uhr noch genügend Mitarbeiter in der Werbeagentur antraf. Er dachte darüber nach, warum König sich so viel Zeit für die Durchsuchungsanordnung nahm. Das war nicht seine Art. Im Gegenteil, er ermahnte sie ständig zur Eile. Joshua tippte die heimische Nummer in sein Handy. Janine klang überaus freundlich, als sie seine Stimme vernahm.
»Ich wollte dich auch gerade anrufen. Ich habe eine tolle Neuigkeit für dich.«
Joshua konnte es kaum glauben. Endlich schien der Albtraum zu Ende zu gehen und er könnte seine Familie wieder in seine Arme schließen. Zu groß war seine Hoffnung, um einen anderen Grund hinter dieser Neuigkeit zu vermuten.
»Dein Chef hat angerufen, du gehörst ab morgen schon zum LKA. Wie hast du das denn so schnell hingekriegt? Okay, du hast es mir gesagt, aber so richtig geglaubt habe ich daran nicht …«
Joshua ließ das Handy resigniert sinken. Mittlerweile befand er sich auf dem Standstreifen der Autobahn. Er redete sich ein, nur einen winzigen Schritt von seiner Familie entfernt zu sein und
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