Zugzwang
Stimme legte sich resolut über ihr Gespräch. Joshua zuckte kurz zusammen. Daniel wirkte unbeeindruckt.
»Was ist das denn?«, Joshua deutete mit ausgestrecktem Arm auf die kleine Stereoanlage auf der Anrichte.
»Cecilia Bartoli. Klasse, was? Das ist übrigens ›Non vo gia che vi suomino‹ aus der Oper ›La cifra‹, Bartoli singt die Lisotta.«
»Klar, habe ich mir schon gedacht.«
»Ist ja schon gut«, Daniel schaltete den CD-Player ab. Im Stehen trank er sein Glas leer und verabschiedete sich von Joshua. Im Flur nahm er vorsichtig die Schuhspanner aus seinen Schuhen und verstaute sie in einem Schrank in der Diele. Anschließend benutzte er einen langen Schuhanzieher mit einem aus Elfenbein geschnitzten Schlangenkopf und schlüpfte elegant in seine schwarzen Lackschuhe. Joshua sah ihm grinsend zu. Ihm fiel ein, dass er immer noch nicht wusste, wie er mit Daniels PC ins Internet kam. Es stellte sich heraus, dass Joshua ein kleines Symbol in der Taskleiste übersehen hatte. Nach den verschlüsselten Dateien fragte er seinen Kollegen nicht.
»Was ist mit dem Jaguar?«
Daniel winkte im Gehen ab.
»Wenn wir mal Zeit haben, holen wir deinen Wagen, Viktor stört er nicht.«
Mich stört es auch nicht, dachte Joshua, der immer mehr Gefallen daran fand, mit Daniels Limousine zu fahren.
Er musste nach Düsseldorf, schoss es ihm durch den Kopf. Schändlers Konzern war der Schlüssel zum Fall und genau dort spielte im Moment die Musik. Jack hatte sein Handy nicht eingeschaltet. Seine Kollegin versprach, ihm Bescheid zu geben. Joshua kribbelte es in den Fingern. Diese Untätigkeit machte ihn nervös. Er konnte weder bei der Durchsuchung dabei sein, noch hatte er Zugriff auf die polizeiinterne Datenbank. Um jeden Handgriff musste er seine Kollegen bitten. Er durchsuchte das Internet nach kollektiven Bewusstseinsveränderungen und subliminalen Botschaften. Die meisten Seiten, die er fand, waren von fanatischen Verschwörungstheoretikern oder dubiosen Vereinen. Die wenigen seriösen Angebote entkräfteten seine Vermutung. Es gab immer wieder Meldungen zu diesem Thema, aber die Wissenschaftler betonten unisono die beschränkten Möglichkeiten dieser Methoden. Joshua überlegte, ob seine Vermutung einfach nicht mehr als eine verzweifelte Hoffnung war. Die Hoffnung auf eine plausible Erklärung für die mysteriösen Vorfälle. Was sollte sonst dahinter stecken, wenn plötzlich alle Leute auf dieselben Pferde wetteten, wenn Aktienkurse offenbar grundlos nach oben schossen und genauso unerklärlich wieder abstürzten? Warum fuhr plötzlich keiner mehr mit dem Zug und mieden so viele Autofahrer die ARAL-Tankstellen? Joshua fiel es schwer, an einen banalen Grund dafür zu glauben, ebenso wenig Vertrauen hatte er mittlerweile in seine These der Bewusstseinsveränderung. Joshua nahm sich ein leeres Blatt Papier und starrte darauf. Welche Menschen waren betroffen, wer spielte mit? Plötzlich kam ihm ein Gedanke.
Warum hatte er nicht schon früher daran gedacht? Um ihn durchzuspielen, zeichnete er Kreise, in die er Stichwörter schrieb. Tankstellen, Bahn, Pferdewetten, Aktien und Wahl schrieb er hinein. Bei den Aktien war er sich nicht sicher, aber alle anderen Dinge ereigneten sich nur in Nordrhein-Westfalen und der näheren Umgebung. Wenn Menschen also dazu genötigt oder beeinflusst wurden, eine bestimmte Tankstellenkette zu meiden, warum dann nicht bundesweit? Ebenso verhielt es sich mit dem Boykott der Bahn. Er nummerierte die Ereignisse nach ihren Daten. Ihm fiel auf, dass sie immer eine Stufe größer wurden. Mit der Manipulation von Pferdewetten auf einer kleinen Trabrennbahn oder der Wahl des Aufsichtsratsvorsitzenden fing es an, mit der Beeinflussung von vielleicht Millionen Bahnbenutzern hörte es auf, bis jetzt. Bei dem letzten Gedanken wurde ihm mulmig. Was war noch alles möglich? Vor allem wie? Jemand musste über die Möglichkeit verfügen, den Willen von möglicherweise Millionen Menschen in diesem Land zu verändern, für seine Zwecke zu steuern. Es gab nur eine Möglichkeit, war Joshua überzeugt, so viele Menschen so schnell zu erreichen, über die Medien. Plötzlich schien sich alles zusammenzufügen. Puzzleteile wanderten durch sein Gehirn und fügten sich zu einem Bild. Skopjes Aufgabe war es also, die Verbindung zwischen Forschung und Medien herzustellen. Bönisch und seine Leute lieferten das Rohprodukt und Skopje vollendete das Werk. Schändler war dahinter gekommen. Er war dagegen oder wollte einen
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