Zukunftsmenue
Besitz, Haftung und Zahlen spielt schon auch das Persönliche eine Rolle. Aber dazu musst du dem Mann die Füße wärmen, und würden Sie zu diesem Zweck über die »blinden Flecken« des Geldsystems, über die historischen Verkapselungen der modernen Kreditwirtschaft oder über den fehlenden Kapitalbegriff des heutigen Kapitalismus reden? Da würden die Füße aber schnell kalt werden!
Auf den Einkauf der Lebensmittelhandelskonzerne, auf die man angewiesen ist, will ich nicht näher eingehen. Aber soll man einem Einkäufer
von der sachlich notwendigen Brüderlichkeit im Wirtschaftsleben erzählen? Der würde sich nur wundern, auf was für Verschrobenheiten Leute kommen, die einem doch auch bloß ihr Zeugs verkaufen wollen. So kann man alle Bereiche im Betrieb und im Betriebsumfeld durchgehen, überall bleibt ein gewisser Gegensatz zwischen den Anforderungen, die dem Einzelunternehmen existenzhalber auferlegt sind, und den eigentlichen großen sozialen Herausforderungen unserer Zeit.
Gibt es oder fand sich für Sie eine Lösung ohne faule Kompromisse?
Es war und ist ein weiter Weg, aber die Lösung des angesprochenen Widerspruchs finden wir, wenn wir ihn suchen, immer nur in allernächster Nähe: bei uns selbst. Anfangs musste ich mir öfter als heute eine gewisse unterschwellige Furcht eingestehen, dass ich den Widerspruch verdränge, vielleicht die moderne Schizophrenie zwischen Denken und Handeln nur ein wenig zu beheben trachte, die eigentliche Problematik aber lieber verheimlichen würde. Im Denken selbst kann man keine Kompromisse machen – darf man keine Kompromisse machen! Man dringt gar nicht ins DENKEN ein, wenn man Kompromisse macht! Das Handeln dagegen trägt Kompromisse schon in sich und besteht vor allem durch die Fantasie, die jeweils richtigen Kompromisse zu finden. Und der Widerspruch zwischen Denken und Wollen steckt letztlich hinter der sozialen Frage, die ich beschrieben habe. Wir Menschen sind dieser Widerspruch selbst. Aber auch die Brücke zwischen den polaren Gegensätzen liegt in uns selbst: in dem tieferen Wahrheits-Gefühl, das am Erleben des Widerspruches erzogen wird und das kein bloßes »Bauchgefühl« ist. Keimhaft liegt in allen Menschen die Fähigkeit dazu. So gesehen können wir darauf vertrauen, zur rechten Stunde vielleicht auch verbündete Mit-Menschen für die Verwandlung der Gesellschaft zu finden. In manchen Phänomenen der Gegenwart drückt sich etwas davon schon aus.
Wie sind Sie nach der Übernahme vorgegangen?
Es ging zunächst um Umsätze und Verkaufsaktivität, zudem immer wieder um Bankverhandlungen, manchmal nur, um zeitlich Spielraum zu gewinnen. Und es ging darum, den Mitarbeitern Sicherheit zu geben. Aufgrund der Gegebenheiten und gegen meine eigene Natur ging es auch darum, die Spezialisierung auf das Kerngeschäft voranzutreiben. Was dabei half, war die Verbundenheit mit dem Motiv der Brezel, die besondere Geschichte, in die wir uns hineingestellt sahen. Da steckte ein »Geheimnis«, ein besonderes Rätsel darin; also etwas Bewegendes.
Nach zwei Jahren war es uns sogar möglich, eine Produktionsanlage für die Massenproduktion von billigen Salzsticks vom Markt zu nehmen und trotzdem Leute einzustellen.
Worin steckt in Ihrem Unternehmen dann das größte Potenzial?
Darin, dass es sich um einen Lebensmittelbetrieb handelt. Alles, was wir im nächsten Jahr produzieren, war seiner physischen Substanz nach vor einem Jahr noch gar nicht vorhanden. Es musste erst aus dem Erd-Boden herauswachsen. Als ich anfing, sprach man zwar noch nicht von Nachhaltigkeit, aber viele Menschen, jedenfalls im ländlichen Raum, waren näher an diesem Kriterium unseres Wirtschaftslebens als die meisten Nachhaltigkeitsbeschwörer heute. Die Abstraktion »die Wirtschaft« wird eigentlich immer von zwei Seiten gespeist, deren polare Zusammengehörigkeit wir nicht verstehen, weil die lebendigen Vorstellungen von Zahlenbegriffen absorbiert sind. Das ist nicht nur ein moralisches Problem, sondern ein Bildungsproblem, mit dem wir uns heute in unserer Firmengemeinschaft beschäftigen. Im Grunde steht also substanzielle Wirtschaft in der Polarität zwischen Landwirtschaft und Industrie. Solange wir das nicht recht erkennen wollen, stülpen wir der Landwirtschaft suggestiv industrielle Prinzipien über und zerstören – weltweit – jeden Tag ein wenig von unserer Ernährungsgrundlage. Die Landwirtschaft hat es mit dem Geist in der Natur zu tun, setzt ihn voraus. Das industrielle
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