Zukunftsmenue
spielt. Andere Botenstoffe, die für Stress verantwortlich sind, sind vor allem im primären Darm lokalisiert. Deshalb nehmen wir Stress besonders stark in den Bauchorganen wahr, als Magengrummeln oder Magenschmerzen zum Beispiel.«
Wenn ich daran denke, wie wir unseren Darm mit zu viel und zu falscher Nahrung traktieren, dann wäre das vielleicht auch eine zusätzliche Erklärung für die massenhaft melancholisch herumschleichenden Jugendlichen, die sich in den letzten Jahren scheinbar stark vermehrt haben. Oder bilde ich mir das nur ein?
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Gesund essen heißt zuallererst: sinnlich und vernünftig essen. Selbst zu kochen und sich Zeit zu nehmen zu genießen ist das Beste, was wir für uns tun können.
Warum die Menschen immer dicker werden
Was jedoch eindeutig nachgewiesen wurde, ist: Wir Menschen, gerade in den Industrienationen, werden immer dicker. Laut einer Studie des Robert-Koch-Instituts (GEDA 2010) ist der Anteil der krankhaft fettleibigen Männer von 12 Prozent im Jahr 1999 auf 16 Prozent in den Jahren 2009/2010 gestiegen. Bei den Frauen wuchs der Anteil von 11 auf 15 Prozent.
Auf der Suche nach einem anerkannten Ernährungswissenschaftler, der mir mehr über die Zusammenhänge zwischen unserem Lebensstil und unserer Gesundheit erzählen konnte, bin ich auf Dr. Nicolai Worm gestoßen. Er ist seit Jahren ernährungspolitisch engagiert, und seit unserem Gespräch versorgt er mich regelmäßig mit den neuesten ernährungswissenschaftlichen Studien über Low Carb und Low Fat, Studien über Zucker sowie mit den neuesten Informationen über die immensen Auswirkungen des Softdrink-Konsums auf die Gesundheit.
Tischgespräch mit Prof. Dr. Nicolai Worm
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Nicolai Worm ist Diplom-Ernährungswissenschaftler und Bestsellerautor aus München. Seit 2009 lehrt er als Professor an der Deutschen Hochschule für Prävention und Gesundheitsmanagement (DHPG) in Saarbrücken.
Sarah Wiener: Herr Prof. Worm, die Deutschen geben immer weniger Geld für ihr Essen aus. In den Fünfzigerjahren waren es noch 50 Prozent des Haushaltsbudgets, jetzt sollen es zwischen 11 und 12 Prozent sein. Woran liegt das Ihrer Meinung nach?
Nicolai Worm: Nun, die Lebensmittelbranche schafft es durch entsprechende Maßnahmen, die Kalorien, die wir zum Leben brauchen, für immer weniger Geld zur Verfügung zu stellen. Dass das mit einem immensen Qualitätsverlust einhergeht, ist die andere Seite. Dazu kommt die Verschiebung der Prioritäten im alltäglichen Leben. Früher musste man jeden Tag körperlich hart arbeiten, oft war auch schon der Weg zur Arbeit mühsam. Da brauchte man Nahrung, die die Arbeitskraft erhalten hat. Heutzutage hat sich das sehr stark verändert. Wir brauchen viel weniger Energie, da wir im Arbeitsleben körperlich nicht mehr so gefordert sind. Gleichzeitig steht uns für sehr wenig Geld vierundzwanzig Stunden am Tag Essen zur Verfügung, dadurch verliert es an Priorität. Denn man kann immer und überall für wenig Geld essen – und sei es
nur aus Langeweile. Andere Dinge werden wichtiger: Reisen, Autos, der Zweitwagen, der Drittfernseher.
Und der Wert der Lebensmittel verfällt.
Ja, und dazu kommt: Die Industrie agiert so geschickt, dass sie uns die billigsten Rohstoffe als schmackhaft anpreist. Wenn man sich anschaut, welche Nahrungskalorie teuer und welche billig zu produzieren ist, landet man am billigen Ende bei pflanzlichen Fetten, Zucker und Weißmehlprodukten. Genau diese Mischung wird heute überall angeboten – als Pizza, Hörnchen, Süßwaren. Teigwaren liefern enorm viele Kalorien und kosten den Hersteller fast nichts, aber er kann sie gut mit tausend Prozent Gewinn verkaufen. Was aber ernährungsphysiologisch wirklich wertvoll wäre, also frisches Gemüse, Beeren, Pilze, qualitativ hochwertiges Fleisch, Fisch, Geflügel, ist pro Kilokalorie nicht so billig zu produzieren.
Nun sage ich als Köchin natürlich, dass für mich in erster Linie der enorme Verlust an Geschmack ein Graus ist. Nur: Was ist eigentlich dagegen einzuwenden, dass die Menschen billige Kalorien futtern? Man könnte doch sagen: Wunderbar, es werden alle satt, keiner hat Hunger und alle sind zufrieden.
Das Gegenteil ist der Fall. Sättigung entsteht nämlich nicht durch Kalorien, sondern durch Volumen und Gewicht im Magen. Menschen werden also nicht satt, weil sie gerade 900 Kalorien gegessen haben, sondern weil der Inhalt des Magens die Magenwand durch den Volumeneffekt ausdehnt. Aber nun zu den eben genannten
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