Zum Glueck ein Poerßenel-Trainer
kopuliert. Wie auch immer, es gab ein Leben nach Peter. Ich verkroch mich hinter meiner Arbeit und mutierte allmählich zum Anti-Spießer in Sackhosen.
Ich war seit nunmehr zehn Jahren Empfangschefin, eher Mädchen für Alles, in einer chirurgisch-/radiologischen Gemeinschaftspraxis eines Ehepaares Doktores Heller. Sie war Radiologin, er Unfallchirurg. Sie mimte die Strenge, Gewissenhafte, während er den Ruhigen, Esoterischen verkörperte. Wenn man Kummer oder Ärger hatte, oder gar beides, konnte man in dieser Praxis gut abschalten und jegliche überschüssige Energie in leidende Patienten investieren und sich täglich daran ergötzen, dass es anderen Menschen noch schlechter ging als einem selbst. Ich ergötzte mich an Verstauchungen und Schnittverletzungen und empörte mich über den Fakt, dass wir angehalten waren, offene Frakturen in das nächstgelegene Krankenhaus zu delegieren. Immer wenn es spannend wird!
Sobald ich dann allabendlich, nach getaner Arbeit, in mein Elternhaus heimkehrte, wurde mir bewusst, dass meine Beziehung gescheitert war, dass ich versagt hatte. Ich wohnte wieder bei meinen Eltern. Nur das Wohnen bei Großeltern hätte, von außen betrachtet, noch demütigender angemutet. Eben führte ich noch das Leben als Prä-Verlobte eines Zahnarztes und schon machten meiner Mutter rote Lackpumps einen richtig fetten Strich durch ihre Rechnung. Ilse-Dore machte es sich zur Aufgabe, mich in den Wahnsinn zu treiben. Sie wollte mich mit allem verkuppeln, was Rang und Namen hatte: Mit dem Apothekerssohn Andreas Pille, mit dem Sohn des Fleischermeisters Detlef Schweinskopf und sogar mit dem schwulen Friseurmeister Edward Scissors aus der Rosenbergstraße! Und das in meiner Trauerphase! Und wenn ich bei meinem Vater Mitleid zu heischen versuchte, schwafelte er, was er immer schwafelte: „Sie denkt sich sicher etwas dabei!“ In den ersten vier Wochen, die ich nach der Trennung von Peter bei meinen Eltern vegetierte, beschlich mich das sichere Gefühl, dass ich in einem meiner früheren Leben etwas ganz Furchtbares verbrochen haben musste. Sicher hatte ich im 15. Jahrhundert ganze Völkerstämme ausgerottet, mindestens!
Eines Abends, als ich mich an der Schulter meiner besten Freundin Steffi meinem Leid hingab, Rotz und Wasser flennte und mit zwei gehobenen Fingern beschwor, dass ich meine Eltern eines Tages in der Auffahrt erledigte, zeigte sie aus dem Fenster auf ihren Trailer und sagte: „Zieh zu mir oder zieh in den verdammten Trailer, du kannst in ihm wohnen, bis du etwas Geeignetes findest oder bis du weißt, ob du etwas finden möchtest. Aber bevor deine Alten Opfer des Mitsubishi‘s werden, ergreife die Flucht. Zu mir!“ Was soll ich sagen? Ich ließ mich nicht zwei Mal bitten und schlug ein!
Kapitel 3
Bernd schnipste mir mit seinem Finger an die Stirn, um mich aus meinen trüben Gedanken zu holen.
„Ach Bernd, du weißt doch, ich würde mir lieber an der Tankstelle eine Zigarette anzünden oder Theas Dinkel-Bratlinge runter würgen, als mich wieder in die Dating-Tretmühle zu begeben“, informierte ich ihn, und das nicht zum ersten Mal. Während Thea mich strengen Blickes ansah, lachte Bernd. „Du kannst doch nicht ewig Trübsal blasen und dich hinter deinen Patienten verkriechen.“
„Oh doch, das kann ich! Und das funktioniert sogar ausnehmend gut. Und wenn ich abends nach Hause komme...“, Thea unterbrach mich schneidend: „Du nennst doch den Trailer nicht etwa dein Zuhause? Du spinnst doch wohl. Das ist ein Wohnwagen. So etwas nimmt man zum Verreisen, aber nicht, um darin zu wohnen!“ Ihr angewidertes Gesicht sprach Bände. Ich seufzte.
„Na gut! Nichtsdestotrotz meine liebe Thea, wenn ich dann abends in meiner grauenvollen Notunterkunft gastiere“, imitierte ich sie und schnitt eine empörte Grimasse, „dann bin ich froh, dass ich nur noch mich bedienen muss und sonst niemanden“, entgegnete ich und hoffte, dass Thea für heute Ruhe gab. Ich hatte keine Lust mehr auf das Trailer-Thema. Ich wusste selbst nur zu gut, dass ich mich über kurz oder lang um eine Wohnung bemühen musste. Abgesehen von Steffi schien niemand in meiner Familie zu verstehen, dass meine Anti-Spießer-und-Trauer-um-Peter-Phase noch nicht abgeschlossen war und dass ich noch nicht bereit war, in einer eigenen einsamen Wohnung zu leben. Der Trailer stand in Steffis Garten. Ich hatte jederzeit die Möglichkeit, zu ihr ins Haus zu gehen oder nebenan meine Eltern zu besuchen. Sicher, ich musste sie
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