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Zum Glück Pauline - Roman

Zum Glück Pauline - Roman

Titel: Zum Glück Pauline - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C.H.Beck
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passiert.»
    «Und an den Tagen zuvor? Manchmal treten die Schmerzen erst im Nachhinein auf. Die Reaktion erfolgt einige Tage später.»
    «Ich bin mir sicher. Ich hab nichts Schweres gehoben … keinen Sport getrieben … nichts Besonderes gemacht.»
    «Denken Sie noch mal genau nach.»
    «…»
    «…»
    «Nein, wirklich. Ich hab nichts gemacht.»
    «Okay … okay … dann schauen wir mal weiter …»
    Entgegen meinem ersten Eindruck wirkte dieser Mann alles andere als beruhigend auf mich. Ähnlich wie beim Radiologen hatte ich das Gefühl, dass er mir etwas verheimlichen wollte. War ich paranoid? Nein, ich spürte, er hatte irgendetwas Eigenartiges entdeckt. Das Ergebnis der Kernspinuntersuchung bedeutete ja nicht, dass ich gerettet war. Mein Leiden folgte irgendwie keiner gutartigen Logik. Der Osteopath, der es anfangs verstanden hatte, eine auf dem Dialog mit dem Patienten basierende angenehme Atmosphäre herzustellen, hatte aufgehört zu reden. Er tastete mich planlos ab und versetzte mir hie und da einen leichtenSchlag, ein bisschen so wie jemand, der sich im Wald verirrt hat und mal in die eine, mal in die andere Richtung rennt, bevor er sich schließlich die eigene Hilflosigkeit eingestehen muss.
    «Versuchen Sie, sich zu entspannen», keuchte er.
    «Aber ich bin entspannt!»
    «Nein, Sie sind verkrampft. Total verkrampft.»
    «Das ist wahrscheinlich mein natürlicher Zustand …», sagte ich, um ihm ein Lächeln abzuringen, aber da er ja hinter mir stand, konnte ich sein Gesicht nicht sehen.
    Er forderte mich auf, mich auf die Seite zu legen, dann auf den Rücken, schließlich wieder auf den Bauch. Ich gehorchte brav. Es dauerte eine Weile, bis mir klar wurde, dass alle noch so verheißungsvollen Kniffe des Osteopathen zu keinem Nachlassen der Schmerzen führten. Im Gegenteil, sie verstärkten meine Schmerzen sogar. Ich versuchte, mich zu beherrschen, mir nichts anmerken zu lassen. Ich wollte ein vorbildlicher Patient sein. Als gälte es, irgendwelchen rivalisierenden Kranken zu zeigen, wie tapfer ich den Widrigkeiten trotzte. Man verhält sich so oft wie ein Schuljunge, der bestrebt ist, die volle Punktzahl zu erreichen. Aber jetzt hatte ich genug. Ich konnte nicht mehr. Die Sitzung war eine einzige Tortur. Ich musste laut schreien.
    «Alles in Ordnung?»
    «Nein, nichts ist in Ordnung. Das tut total weh.»
    «Das ist normal. Die empfindliche Stelle wird durch die Berührung stimuliert …», stammelte er.
    Das mochte durchaus sein. Es war mir schon einmalpassiert, dass ich nach einer osteopathischen Behandlung die gleichen Schmerzen hatte wie zuvor. Aber bei ihm hatte ich ja den Eindruck, dass er mein Leid noch vergrößerte, meinen Zustand verschlimmerte.
    «Ich will die Sitzung lieber abbrechen», erklärte ich und kletterte kurzerhand von der Massagebank herunter.
    «Sicher?»
    «Ja … das hat total wehgetan …»
    «Das ist vollkommen normal … Sie haben da eine sehr massive Verhärtung …»
    «…»
    «Die Behandlung wird Ihren Zustand verbessern.»
    «Fragt sich bloß, wann», gab ich trocken zurück und fing an mich anzuziehen.
    Er schwieg. Die Schmerzen hatten mich aggressiv gemacht. Und wahrscheinlich war ich auch einfach enttäuscht. Als ich hier hereingekommen war, hatte ich großes Vertrauen in diesen Mann gesetzt. Nun war ich ernüchtert. Ich hatte das Gefühl, er hatte ein wenig meinen Rücken betatscht, ohne wirklich zu wissen, was er überhaupt wollte, und auf ein Wunder gehofft.
    «In einer Stunde werden Sie sich besser fühlen. Sie sollten sich wirklich ausruhen und Verstimmungen vermeiden», vermeldete er.
    «Das wird nicht leicht.»
    «Sie haben da eine Verspannung, die doch recht schwer zu lösen ist.»
    «Ja, das merke ich … also, was meinen Sie, was soll ich machen?»
    «Entspannen Sie sich … und kommen Sie in ein paar Tagen wieder, dann machen wir noch eine Sitzung …»
    Das kam natürlich nicht infrage. Meine Schmerzen waren einfach zu heftig. Ich verließ fluchtartig die Praxis, wie ein Dieb. Ich fragte mich, wer oder was mir jetzt noch helfen konnte. Alle Möglichkeiten schieden nach und nach aus. Dieser Zustand konnte doch nicht den Rest meines Lebens andauern. Draußen war es schon dunkel. Ich fuhr mit dem Taxi nach Hause. Bei heruntergekurbeltem Fenster atmete ich die Stadtluft ein. Die Schmerzen legten sich indessen nicht. Bei jeder roten Ampel dachte ich: «Durchhalten.» Durchhalten, bis ich zu Hause war, wo ich meine Medizin nehmen durfte und mich nicht mehr

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