Zum Krieger geboren: Mein Leben als Navy Seal (German Edition)
amerikanischen Botschaft. Die Franzosen nannten diesen Landeplatz »Ingénue«, wir nannten ihn »Boardwalk«. Die Cobras legten sich in eine scharfe Kurve nach rechts und waren bald nur noch als schmale Silhouetten im Süden und Osten zu sehen, während die erste Huey auf der leeren Corniche niederging. Die zweite Huey schwebte über ein dreistöckiges Gebäude etwas weiter südlich ein, und Steves Kampfeinheit seilte sich auf das Dach ab. Seine Jungs gaben uns Deckung und behielten die Cobras im Auge.
Dale Hickman und ich schnappten uns die Kampfrucksäcke, sprangen aus dem Hubschrauber und rannten zu den ausgebrannten Resten eines Cafés hinüber. Hickman war ein Original, ein äußerst kluger Typ aus Maniwotoc in Wisconsin. Sein Rufzeichen war »Cheese« und Cheese kannte keine Furcht. Hickman trug immer einen Ruger-Blackhawk-Revolver, Kaliber .44 Magnum, in seinem Schulterholster. Was ihre Bewaffnung anging, genossen die Operators große Freiheiten, und Hickman hatte als Zweitwaffe eine wahre Handkanone mit einem überlangen Lauf gewählt.
Wenn man ihn danach fragte, pflegte er zu sagen: »Hey, die Länge ist doch wichtig.«
Rudi und Bubba trotteten uns hinterher und deckten die Zugänge, während wir auf die Boat-Crew aus dem zweiten Hubschrauber warteten.
Die Hueys hoben ab und wandten sich nach Norden. Ihre beiden Geleitschutz-Kampfhubschrauber ordneten sich wieder hinter ihnen ein, und gemeinsam flogen sie über den Hafen mit seinen Schiffswracks hinweg auf die offene See hinaus. Kurze Zeit später war Steves Kampfabteilung die Treppe des Gebäudes, auf dem sie gelandet waren, heruntergeeilt und schloss sich uns jetzt in dem zerstörten Lokal an. Hinter uns lag ein toter Mann neben einem umgestürzten Moped auf der Straße. Offensichtlich gab es hier Heckenschützen. Aber selbst das war nicht so beklemmend wie diese Stille.
Wir sicherten uns, und ich schaute mit dem Feldstecher nach Westen zum Duraford Building, dem Sitz der amerikanischen und britischen Botschaften, hinüber. Die Küstenstraße war leer, kein Mensch oder Fahrzeug war zu sehen. Nur von Süden und Osten drangen das Rattern von Handfeuerwaffen und die dumpfen Schläge der Artillerie zu uns herüber.
Bei unseren vielen bisherigen Besuchen in Westbeirut war die Corniche immer äußerst belebt und voller Verkehr gewesen, selbst wenn an der Grünen Linie gekämpft wurde. Heute war niemand auf der Straße. Die Läden entlang der Uferpromenade waren verrammelt und verlassen.
»Wo zum Teufel sind die alle?«, fragte Steve.
»Scheiße, Mann, wenn ich hier wohnen würde, wäre ich auch abgehauen«, meinte Bubba. Unvermittelt erschien mir Bubba als Geistesleuchte unseres Jahrhunderts. Der Junge war ein Philosoph, dachte ich, ein Hillbilly-Voltaire.
Trotzdem beantwortete dieser weise Spruch nicht unsere Frage. Die Kampfhandlungen fanden hauptsächlich im Süden statt. Nur gelegentlich schlug eine Granate in Westbeirut ein. In diesem Teil der Stadt lebten sunnitische Muslime, und die waren wohlhabend und ihre Häuser bisher weitgehend unbeschädigt. Das Leben ging hier noch seinen gewohnten Gang, unabhängig davon, was im Schuf-Gebirge passierte. Ich hatte dieses Viertel noch nie so ruhig gesehen. Nicht nur ruhig – verlassen.
Ich beschloss, mir keine großen Gedanken darüber zu machen. Wir waren im Operationsgebiet angekommen, bisher hatte es keine Probleme gegeben und ich war damit ganz zufrieden. Die amerikanische Botschaft war noch fünf Straßenblocks entfernt. Die Marine-Wachmannschaft der Botschaft benutzte das Rufzeichen »Devil Dog«. Die Dogs hatten uns zuvor mitgeteilt, dass der Hubschrauberlandeplatz auf dem Botschaftsdach von Scharfschützen bestrichen wurde. Wir waren deshalb ihrer Empfehlung gefolgt und hatten uns am Ausweichlandeplatz auf dem Mittelstreifen absetzen lassen. Die Uferstraße machte hier einen leichten Bogen. Wir hatten aus diesem Grund zwar keine direkte Sichtverbindung mit dem Botschaftsgebäude, konnten aber von Scharfschützen in der Umgebung ebenfalls nicht gesehen und beschossen werden.
»Wir teilen uns in Boat-Crews auf und rücken in Patrouillenordnung vor«, sagte ich zu Steve. »Wir geben uns abwechselnd Deckung. Ich möchte zwischen den beiden Crews immer einen Abstand von 50 Metern haben.«
Die beiden Boat-Crews konnten sich auf diese Weise gegenseitig unterstützen, boten aber einem Angreifer kein gemeinsames Ziel. Wir bewegten uns nach Westen und versuchten dabei, möglichst im Schatten der
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