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Zum Krieger geboren: Mein Leben als Navy Seal (German Edition)

Zum Krieger geboren: Mein Leben als Navy Seal (German Edition)

Titel: Zum Krieger geboren: Mein Leben als Navy Seal (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chuck Pfarrer
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immer wieder geprobt und auf die Sekunde genau geplant. Auch die Zünder und die drei unterschiedlichen Zündmechanismen wurden auf Herz und Nieren geprüft.
    Nichts wurde dem Zufall überlassen und nichts würde schiefgehen. All diese Vorbereitungen geschahen direkt unter der Nase der beinahe täglichen amerikanischen Aufklärungsflüge. In einem Hisbollah-Stützpunkt in der Stadt Baalbek wurden zwei identische Lastwagenbomben hergestellt. Eine war für die Franzosen, die andere für die Amerikaner bestimmt. Mit tätiger Unterstützung des syrischen Militärgeheimdiensts wurden die Sprengsätze am Abend des 22. Oktober nach Beirut gefahren. Der die ganze Nacht anhaltende Artilleriebeschuss durch syrische Armeeeinheiten stellte sicher, dass die Marines erschöpft waren und zum großen Teil noch schlafen würden, wenn die Anschläge am Sonntagmorgen um 6.23 Uhr stattfinden würden.
    Die Operationsplanung und ihre Ausführung waren perfekt. Der Krater war der Beweis.
    Die Air-Force-Transportmaschinen, die die Leichen aus dem BLT nach Hause geflogen hatten, kehrten drei Tage später mit frischen Truppen zurück. Es handelte sich um die Hälfte einer Marine Amphibious Unit, die man einfach im Camp Lejeune in North Carolina aufgelesen und direkt in unser Leben befördert hatte.
    »Wir sind hier, um euch Pennern aus der Patsche zu helfen«, hörte ich einen von ihnen sagen.
    Sie wurden sofort in unsere Stellungen integriert, ihre Kompanien wurden zu neuralgischen Punkten an der Stützpunktgrenze geschickt, wo sie jetzt begannen, Unterstände zu graben und Sandsäcke zu füllen. Auf mich wirkten sie alle viel zu jung und grün um die Nase. Ihre Uniformen waren gestärkt, als ob sie direkt einem Werbeplakat der Navy entsprungen wären.
    Neben ihren gestärkten Uniformen und hochglanzpolierten Stiefeln brachten sie eine ziemlich gewöhnungsbedürftige Einstellung mit, als seien sie selbst auf Schimmeln eingeritten und wir seien irgendwie Burgfräulein in Not. In gewisser Weise hatten sie damit sogar recht. Aber nichts hätte sie auf die völlig verfahrene Situation vorbereiten können, die sie hier antrafen.
    Allein die Einsatzregeln pusteten sie vom Hocker.
    Man konnte es ihnen auch ansehen, wenn sie sich mit großen Augen durch die Stellungen bewegten oder rochen, was von einem vierstöckigen Stahlbetongebäude übrig geblieben war.
    Selbst ihre alten Hasen, die Gunnery Sergeants, die bereits bei Khe Sanh dabei gewesen waren, konnten nicht glauben, was sie an diesem Ort vorfanden. Die Überlebenden waren wie Zombies. Sie liefen mitten durch Granatfeuer und Scharfschützenbeschuss hindurch, als ob nichts wäre. Einige Marines hatten das Auszählen der Einschlagszeiten zu einer hohen Kunst entwickelt und duckten sich erst, wenn die Scheiße direkt über ihnen war (»Es ist einfach nicht cool, sich zu früh auf den Boden zu schmeißen«).
    Am erschreckendsten war für die Neuankömmlinge jedoch die elementare Veränderung der Kommandostruktur. Hier war nicht mehr der Rang, sondern die Erfahrung ausschlaggebend. Die Überlebenden lebten noch, weil sie immer auf der Hut gewesen waren. Sie waren noch hier, weil sie wussten, wie Wally operierte, und sich entsprechend angepasst hatten. Die frisch eingetroffenen Marines waren nicht nur an ihren feschen neuen Uniformen und ihrem ungläubigen Gesichtsausdruck, sondern vor allem an ihrer gefährlichen Naivität zu erkennen. Unsere Ersatzleute waren unerprobt und deswegen unzuverlässig. Die neu angekommenen Offiziere und Unteroffiziere mussten oft die Erfahrung machen, dass ihre Befehle ignoriert wurden – vor allem, wenn diese lebensbedrohlich waren. Die Überlebenden der 24. MAU unterstützten zwar bis zum letzten Mann ihre Vorgesetzten, und dies oft mit großer Tapferkeit, gehorchten jedoch nur ihrer eigenen Befehlskette. Bald lernten die Neulinge, sich diesen Umständen anzupassen. Einige von ihnen fanden trotzdem den Tod.
    In meinem Vokabular gab es immer mehr Wörter, die für mich keine Bedeutung mehr hatten. Wörter wie »Wut«, »Trauer« und »Erschöpfung« waren durch die Erfahrung dieses Ortes über die Grenzen ihrer Definition hinausgelangt. Ich hatte sie bis zum äußersten Rand der Realität ausgelebt und empfunden, und dies in einer Weise, wie ich sie mir nie hätte vorstellen können, sodass diese Wörter jetzt gar nichts mehr bedeuteten. Es war, als habe man sie jedes Sinns entkleidet. Sie waren jetzt nur noch eine Reihe von Buchstaben, die mit meinen abgestumpften

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