Zum Krieger geboren: Mein Leben als Navy Seal (German Edition)
verkrüppelt oder vaporisiert worden. Ich habe wirklich keine Ahnung, wie sie entschieden haben, welche Mutter welche Kiste bekommt. Von einigen Jungs war nicht einmal mehr so viel vorhanden, um damit ein Saftglas zu füllen.
Am Ende bekamen alle Angehörigen der Toten das Gleiche: versiegelte Särge, die in amerikanische Flaggen gehüllt waren.
In den folgenden Tagen hielt der Schock beharrlich an. Es war allen fast unmöglich, Trauer zu empfinden. Der Schrecken war so überwältigend und unfassbar, dass wir regelrecht einfroren. Es gab so viele Leichen, so viele verstümmelte Fleischhaufen, dass man sich kaum noch vorstellen konnte, dass dies einmal Menschen, Kameraden oder Freunde gewesen waren.
Unser Schock wurde noch schlimmer, als wir abends die Radionachrichten des BBC World Service hörten. Es passte zu unserem tollen Wochenende, als wir erfuhren, dass die Vereinigten Staaten in Grenada einmarschiert waren. Zum Zeitpunkt der Sendung wurde auf der Insel noch heftig gekämpft. Auch der Flughafen war noch nicht vollständig gesichert. Wir hörten mit offenem Mund zu. Die Marine Amphibious Ready Group, die jetzt in Grenada im Kampf stand, war eigentlich auf dem Weg gewesen, uns abzulösen. Und jetzt saßen wir mit versohltem Hintern hier und unser Entsatz focht 4000 Kilometer entfernt einen anderen Krieg. Alles Vertrauen, das ich in unsere Kriegsplaner und unsere Kommandostruktur gehabt haben mochte, verflüchtigte sich in diesem Augenblick für alle Zeiten.
Der Schutzkordon der Marines um den Flughafen war begreiflicherweise im Moment ziemlich ausgedünnt. Das Schuf-Gebirge strotzte nur so von Artillerie. Selbst nach vorsichtiger Schätzung waren wir gegenwärtig in puncto Mannschaftsstärke fünf zu eins unterlegen. Wir konnten also jeden Augenblick überrannt und ins Meer getrieben werden.
Dass dies dann doch nicht geschah, kann ich bis heute beim besten Willen nicht erklären. Wir waren besiegt, schachmatt und geschlagen. Nur noch die Entschlossenheit, Verlässlichkeit und der unerschrockene Mut einzelner Marines standen zwischen uns und der totalen Niederlage. Die Überlebenden hielten ab jetzt eng zusammen. Jeder von uns wusste genau, dass wir von unserer näheren und weiteren Umgebung keine Hilfe und Gnade zu erwarten hatten.
In den Tagen nach dem Attentat wurden auch die allgemeinen Einsatzregeln geändert. Die Marines bekamen die Erlaubnis zum gezielten tödlichen Gebrauch ihrer Schusswaffen. Das war wirklich eine erstaunliche Neuigkeit.
Jetzt, da die Kühe entlaufen waren, stellte jemand sicher, dass die Stalltüren in Zukunft schön geschlossen blieben. Am Südende des Parkplatzes hatten Bulldozer hintereinander und seitlich versetzt große, rote Erdhaufen aufgeschüttet, die die vorbeifahrenden Fahrzeuge dazu zwangen, sich durch die schmalen Öffnungen zwischen den einzelnen kleinen Hügeln hindurchzuzwängen, wobei sie ihre Geschwindigkeit auf weniger als 15 Stundenkilometer verringern mussten. Am eigentlichen Checkpoint stand ein 2,5-Tonnen-Militärlaster quer über der Straße und ein MG, Kaliber .50 BMG, sicherte die Zufahrt. Allerdings gab es dort kein Gebäude mehr, nur eine riesige Trümmerhalde.
Hinter diesen neuen Barrikaden zeichnete sich einsam, schartig und verloren das ab, was vom BLT übrig geblieben war. Wenn der Wind aus dem Norden kam, wehte es den entsetzlichen Gestank dieses Ortes zum Checkpoint hinunter. Es war der Geruch von menschlichen Körpern, die in ihre einzelnen Atome zersprengt worden waren. Die Marines zogen dann Krawatten und Halstücher aus ihren Schutzwesten und banden sie sich vors Gesicht, um ihre Nasen vor diesem Gestank zu schützen. Sie sahen wie eine Gruppe von staubbedeckten, dämlichen Deputys aus, die eine Bank bewachten, die bereits ausgeraubt worden war.
Die Ruine des BLT wirkte wie ein Denkmal für die Mutter aller Niederlagen.
Die Trümmer wurden jedoch auch zu einer archäologischen Ausgrabungsstätte. Als ein Sprengstoff-Team des FBI eintraf, hatte ihre gemächliche, sorgfältige Vorgehensweise fast etwas Wissenschaftliches an sich.
Eine volle Woche lang grub ein Dutzend Marines den ganzen Krater um. Sie stocherten in dessen Erde, nahmen Proben und siebten sie durch. Drei FBI-Sprengstoffexperten warteten derweil unter den freigesprengten Trägern, die das aufrechterhielten und stützten, was vom ersten Stock übrig geblieben war. Ab und zu kletterte ein Marine mit einem Stück Metall aus der Grube heraus. Die FBI-Agenten schauten es sich an,
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