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Zum Krieger geboren: Mein Leben als Navy Seal (German Edition)

Zum Krieger geboren: Mein Leben als Navy Seal (German Edition)

Titel: Zum Krieger geboren: Mein Leben als Navy Seal (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chuck Pfarrer
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allein zu sein.
    Im Jahr 1984 war das Wort »posttraumatische Belastungsstörung« noch nicht allgemein bekannt, aber ich war seit meinem Studium mit dem Konzept des Überlebenden-Syndroms vertraut. Ich war dafür ein Musterbeispiel. Wie jeder andere Marine und Matrose, der im Libanon eingesetzt war, fragte ich mich immer wieder: Warum habe ausgerechnet ich überlebt, obwohl so viele gute Männer gestorben sind? Am Ende akzeptierte ich die Tatsache, dass mein Überleben zum großen Teil reines Glück gewesen war. Es war Glück, dass ich an diesem Morgen nicht im BLT-Gebäude war. Und ich hatte Glück gehabt, nicht an der Corniche, im Schuf-Gebirge, bei einem halben Dutzend Scharfschützenangriffen oder auf diesem Schwimmpier getötet zu werden. Ich tröstete mich mit dem Gedanken, immerhin dazu beigetragen zu haben, dass 16 Männer am Leben geblieben waren.
    Da gab es Dinge, mit denen ich kaum fertigwurde, während mir seltsamerweise andere nicht das geringste Problem bereiteten. Ich weiß nicht, was genau das über mich sagt, aber ich empfand keine Trauer um die Leute, die wir getötet hatten. Ihre Gesichter verfolgen mich nicht und haben das auch nie getan. Einige habe ich nur noch als bewegungslose Klumpen in Erinnerung, die mit dem Gesicht nach unten auf der Straße lagen. Ihre Beine waren auf seltsame Weise gekreuzt, ihre Hände waren offen und ihre Waffen lagen dort, wo sie sie fallen gelassen hatten. Als ich einmal einige Tage später an eine solche Stelle zurückkehrte, waren die Leichen aufgedunsen und von der Sonne schwarz gefärbt worden. Um sie herum wehte der Abfall durch die Straßen. Damals habe ich genauso wenig empfunden wie heute. Es machte mir nichts aus, dass sie tot waren, und ich fand es sogar passend, dass sich niemand auf diesem Planeten darum gekümmert hatte, sie von der Straße zu ziehen. Andere sehe ich immer noch vor mir, wie sie sich überrascht umdrehten, die Hand ausstreckten, während sie mein Mündungsfeuer nach hinten taumeln und schließlich zu Boden stürzen ließ, Männer, die mir noch eine Sekunde zuvor dasselbe Schicksal zugedacht hatten. Auch hier fühle ich bis heute nichts.
    Mir war und ist natürlich vollkommen bewusst, dass ich damals Menschen getötet habe. Es mag vielleicht respektlos oder sogar gefühllos und grausam klingen, aber es gibt tatsächlich Menschen, die zur Hölle fahren müssen, um auf alle Ewigkeit dort zu bleiben. Ich habe einmal beobachtet, wie eine Bande von PLO-Schlägern einen verwundeten Phalangisten hinter einem Lastwagen herzog, bis er nur noch ein blutiges Lumpenbündel war. Ich habe die Leichname von Palästinensern gefunden, denen man die Hände gefesselt, sie danach erschossen und schließlich auf ein Trümmergrundstück geworfen hatte, damit die Hunde sie dort fraßen. Ich habe gesehen, wie drusische Artilleristen gezielt und absichtlich Granaten auf ein Krankenhaus voller Frauen und Kinder abfeuerten. Welche Seite soll man da noch unterstützen? Welche Gräueltat soll man entschuldigen und welche muss unbedingt bestraft werden?
    Nach fast acht Monaten an diesem Ort waren sie für mich endgültig alle gleich. Sie waren Nullachtfünfzehn-Arschlöcher, die ich alle im gleichen Maße verabscheute. Ich bezeichnete sie jedoch nie als »Windelkopf« oder mit irgendeinem anderen hässlichen Namen, den ich irgendwo gehört hatte. Ich hasste sie damals genauso wenig wie heute. Aber ich empfand kein Mitleid mit ihnen und gewährte auch niemals Pardon. Für die Leute, gegen die wir in Beirut kämpften, hegte ich keinerlei Sympathie. Sie machten sich einen Spaß daraus, die Untadeligen zu töten, um sich dann hinter den Unschuldigen zu verstecken. Sie hatten alles unternommen, um uns zu töten, stattdessen hatten wir sie getötet. Auch hier war ich mir sicher, dass ich keine Schuld trug. Ich würde mich keinesfalls vom Libanon in die Dunkelheit ziehen lassen.
    Das alles erzählte ich mir immer wieder selbst. Ich erzählte es auch Margot, und tat das sogar so gut, dass mir jeder auf den Leim ging. Einschließlich ich mir selbst. Der Libanon würde mich zwar nicht besiegen, aber er würde mich für alle Zeit begleiten und hinter mir herklappern wie eine Blechdose, die man einem Hund an den Schwanz gebunden hat. Darüber sprach ich mit keinem. Diejenigen von uns, die das alles ebenfalls durchgemacht hatten, sprachen auch miteinander nur selten darüber. Ich begann, Beirut als Last zu empfinden, etwas, das so schrecklich und herzzerreißend war, dass ich es

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