Zum Krieger geboren: Mein Leben als Navy Seal (German Edition)
als SDV-Pilot gedient. Offensichtlich war es für ihn nicht aufregend genug gewesen, mit seinen Mini-U-Booten auf Aufklärungsmissionen in einen nordkoreanischen Hafen einzudringen, deswegen war er jetzt hier. Moose war ein faszinierender Bursche. Er hatte eine strenge, anspruchsvolle Erziehung genossen. Als Kapitän und Quarterback seiner Highschool-Football-Mannschaft fand er noch die Zeit, in der Jugendphilharmonie von Seattle die erste Geige zu spielen. Auf dem Claremont College in Kalifornien wurde er zum 800-Meter-Läufer. Seine Hauptfächer waren Philosophie und Religion. Seine Abschlussarbeit verfasste er über den Tod Dietrich Bonhoeffers, eines lutherischen Theologen, den Adolf Hitler ermorden ließ. Moose war intellektuell genauso beeindruckend wie physisch. Moose konnte einen Vortrag über Epiktet halten, während er beim Bankdrücken 135 Kilogramm stemmte. Außerdem würde nur ein totaler Narr versuchen, ihn unter den Tisch zu trinken.
Unsere Ausbilder kamen in unseren gängigen Uniform herein: Bluejeans und Poloshirts. In meiner ganzen Zeit beim Six habe ich nur ein einziges Mal eine Navy-Uniform getragen. Bei unseren Operationen war immer Zivilkleidung angesagt.
Die Ausbildungseinheit wurde von einem Mann mit dem bemerkenswerten Namen Traylor Court geleitet. Court war zuvor Unteroffizier gewesen, hatte die OCS (Officer Candidate School) der Navy absolviert und war danach von Dick Marcinko persönlich angeworben worden. Court war gebaut wie ein Kunstturner. Er gehörte zusammen mit Kim Erskine zu den Operators, die den Radiosender in Grenada ausgeschaltet hatten. Court hob kaum einmal die Stimme. Das hatte er gar nicht nötig. Sein gesamtes Auftreten verschaffte ihm Aufmerksamkeit und Respekt.
Neben Court gab es noch drei weitere Ausbilder, Toni, ein 1,82 Meter großer und 115 Kilo schwerer Surfer aus Hawaii, Mike Daniels, der klassische Triathlet, ein Scharfschütze und Sprengstoffexperte, und der Typ, den wir »Bam-Bam« nannten. Bam-Bam stammte aus Gary, Indiana, und wies immer wieder stolz darauf hin, dass er im Gegensatz zu seinen drei Brüdern nicht im Gefängnis saß. Bam-Bam war einmal Meister des Staates Indiana im Schleuderbrettspringen gewesen. Jetzt hatte er in einer Kommandoeinheit, in der es nur ausgezeichnete Schützen gab, den Ruf, am schnellsten und am tödlichsten zu schießen. Mit seinen Fäusten war er übrigens ähnlich schnell.
Niemand hielt uns eine Begrüßungsrede. Court machte ein paar Bemerkungen. Er betonte dabei, dass dies ein Auswahlkurs sei, bei dem für die meisten von uns ein Scheitern nicht nur möglich, sondern sogar wahrscheinlich sei. Er sagte voraus, dass die Hälfte der Männer in diesem Green Team den Kurs nicht beenden würde. Es war eine Variation von Master Chief Roys Willkommensansprache beim BUD/S. Ich bin mir sicher, dass alle Zuhörer zu diesem Zeitpunkt noch dachten, sie würden zu den erfolgreichen Absolventen gehören.
Courts Einschätzung sollte sich als richtig erweisen. Von den 20 Mann, die jetzt im Team-Raum standen, würden es nur zwölf bis zum Ende schaffen und danach regulären Kampfzügen des Teams zugewiesen werden. Court zählte dann noch ein halbes Dutzend Verstöße auf, für die wir sofort aus dem Kurs entlassen werden würden. Das unabsichtliche Abfeuern einer Waffe. Jeder Verstoß gegen die Sicherheit im Umgang mit Sprengstoff oder beim Tauchen. Der Konsum oder vermutete Konsum von Suchtmitteln aller Art. Der Verlust oder die falsche Handhabung von Geheimmaterial. Die Weitergabe irgendwelcher Fakten über das SEAL Team Six, wobei es keine Rolle spielte, ob der Empfänger Mitglied des Special Warfare Command war oder nicht. Wir bekamen sogar die ausdrückliche Anweisung, nicht länger mit den Leuten in unseren alten »regulären« Teams Umgang zu pflegen.
Man teilte uns ganz unverblümt mit: »Suchen Sie sich neue Freunde.«
Diese Politik wurde rigoros durchgesetzt und führte natürlich zu einer Entfremdung des Team Six vom Rest der SEAL-Truppe. Die Neue-Freunde-Regel war ein Überbleibsel der Marcinko-Ära. Wie viele andere Marcinko-Regeln, denen wir künftig noch begegnen würden, erschien sie uns unsinnig und kontraproduktiv, aber sie wurde im Six immer noch ernst genommen und befolgt, und wir taten, wie uns geheißen.
Eine gewisse Berechtigung hatte diese Regel dann allerdings doch. Das SEAL Team Six war damals noch ein »schwarzes Programm«. Die Existenz des Teams war geheim, so wie die Lage seines Stützpunkts, sein Budget,
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