Zum Krieger geboren: Mein Leben als Navy Seal (German Edition)
seine Ausbildung, Organisation und Taktik. Auf dem Gebäude stand nicht »SEAL Team Six«. Tatsächlich stand dort der Name einer Ausrüstungserprobungseinheit, die es überhaupt nicht gab. Diese Geheimhaltung betraf alle Ebenen. Wir alle hatten auf dem Papier die Navy verlassen. Laut unserer Personalakte waren wir »aus dem Dienst ausgeschieden«. Die angegebenen Gründe waren unterschiedlich: Abschied durch Kündigung, Pensionierung und Entlassung aus medizinischen Gründen wurden am häufigsten angeführt. Wir mussten unsere Haare wachsen lassen und vergessen, dass wir überhaupt Uniformen besaßen. Für die Welt da draußen gehörte keiner von uns mehr zur Navy. Wir waren jetzt Zivilisten, die in einer Phantomorganisation arbeiteten. Das sollten wir auch unseren Nachbarn und neuen Freunden erzählen.
Unsere alten Teamkameraden in Little Creek mussten annehmen, wir seien vom Erdboden verschwunden. Wir waren zu einem Teil der »schwarzen« Welt geworden. Von jetzt an bezeichneten wir die anderen Teams verächtlich als »Vanilla SOF«, als Spezialtruppen, die so »weiß« und auffällig waren wie Vanillezucker. Als Kandidaten für einen Beitritt zum Jedi-Team waren wir zur »dunklen Seite« übergewechselt.
Der Ausbildungseinheit einer geheimen Kommandotruppe anzugehören, führte für uns noch zu zusätzlicher Abschottung. Zwischen dem Green Team und den operationellen Einheiten des Six gab es eine regelrechte Mauer. Man wies uns an, keine Fragen zu stellen, in unseren Unterkünften und unserem Team-Raum zu bleiben und nicht mit den Operators zu »fraternisieren«, selbst wenn wir sie in der wirklichen Welt gekannt hatten. Die Trainingseinheit war also von den Kampfzügen vollkommen getrennt. Solange wir im Green Team blieben, waren wir nur Besucher. Punkt.
»Wenn und falls Sie bestehen, können Sie wieder mit Ihren alten Freunden spielen«, sagte Court.
Diese Einstellung uns gegenüber herrschte im ganzen Kommando. Nicht nur die Versorgungstypen fertigten die Green-Team-Mitglieder kurz und unfreundlich ab. Auf den Korridoren und überall auf dem Team-Gelände waren wir praktisch unsichtbar. Ehemalige Teamkameraden gingen grußlos an uns vorüber. Das Fraternisierungsverbot galt in beide Richtungen. Dies war eine weitere Hinterlassenschaft Marcinkos. Man musste sich das Recht, hier zu sein, erst verdienen. Bis dahin war man ein Nichts.
Als Nächstes hielten uns die beiden Spionageabwehr-Agenten des Kommandos einen kleinen Vortrag. Ich werde sie einfach Lenny und Dougie nennen. Es war ihr Job sicherzustellen, dass das Six nach außen so gut wie überhaupt nicht in Erscheinung trat. Sie waren aktive Marines. Aus ihrem Aussehen hätte man das jedoch keinesfalls schließen können. Dougies Locken reichten ihm bis zu den Schultern. Außerdem zierte ihn ein herabhängender Fu-Manchu-Bart. Lenny trug einen Ziegenbart und einen Ohrring. Sie mochten umgänglich erscheinen, aber ihre Botschaft war glasklar und kompromisslos. Es war ihre Aufgabe festzustellen, wie gut unsere Geheimhaltung funktionierte und was die Öffentlichkeit über uns und das gesamte Team wusste und erfuhr.
»Ich sage Ihnen jetzt, wie das hier läuft«, warnte uns Dougie. »Wenn ich Ihren Nachbarn frage, wo Sie arbeiten, und der mir antwortet, Sie seien ein SEAL, dann fliegen Sie sofort raus.«
Ich machte mir eine Gedankennotiz: Nicht mit den Nachbarn reden.
Der Green-Team-Kurs sollte acht Monate dauern, er war also zwei Monate länger als BUD/S. Er sollte sich jedoch als genauso mörderisch herausstellen. Wir arbeiteten sechs Tage die Woche von 6.00 bis 17.00 Uhr. In jeder Woche gab es wenigstens einmal einen Nachteinsatz. Draußen im Feld – und das waren wir meistens – waren wir sieben Tage die Woche im Dienst. Alle Teilnehmer, die von sich aus aufgaben, verletzt wurden oder für ungeeignet erachtet wurden, traten laut ihrer Personalakte wieder in die Navy ein und wurden in ihre Teams zurückversetzt. Vorher mussten sie jedoch eine Vertraulichkeitserklärung unterschreiben, in der ihnen Geld- und Haftstrafen angedroht wurden, wenn sie Informationen nach draußen sickern ließen. Auch darauf würden Lenny und Dougie ein Auge haben.
Wir hatten ständig Piepser dabei. Wenn man uns anpiepste, mussten wir uns in kürzester Zeit im Team-Gelände an unserem Käfig einfinden, um von dort sofort zu einem Einsatz abrücken zu können. Wie lange genau wir Zeit hatten, darf ich hier nicht angeben. Sie war jedoch so kurz bemessen, dass einige von uns
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