Zum Krieger geboren: Mein Leben als Navy Seal (German Edition)
wurden, waren voll ausgebildete SEALs. Ich selbst mochte zwar auch einer sein, aber ich wusste sehr wohl, dass mir noch einiges an Wissen fehlte. Der Zug sammelte sich, und wir merkten schnell, dass es den meisten so ging. Als Frank das Kommando übernahm, informierte man uns, dass der 5. Zug sofort mit dem Pre-Deployment Training oder PDT anfangen müsse. Dieses Einsatzvorbereitungstraining beginnt normalerweise erst, wenn alle Operators zuvor das Advanced Operator Training durchlaufen haben. Diesen Luxus würde man uns aber nicht gönnen. Der 5. Zug sollte seine eigene Übungseinheit bilden und seinen Mitgliedern das AOT-Curriculum vermitteln, während wir alle uns auf unser Operational Readiness Exam (ORE), die »Operationsreife-Prüfung«, vorbereiten würden. Die Folgen einer mangelhaften Ausbildung würden sich unseren Vorgesetzten im Team und anderen Beobachtern schon bald zeigen. Der 5. Zug sollte nämlich nach Honduras verlegt werden und dort als Mobile-Training-Team, also als Militärberater, an der Grenze zwischen Honduras und Nicaragua tätig werden.
Wir nahmen die Herausforderung an und rissen uns den Arsch auf. Die einzelnen Teile des PDT bauten nahtlos aufeinander auf und die Hinzufügung des AOT in unseren Übungsplan bedeutete, dass die zusätzliche Arbeit irgendwie in den bereits vollgestopften Stundenplan eingepasst werden musste. Der Großteil des Extra-Trainings fiel Stan, Tim und unserem gerade erst eingetroffenen Chief Petty Officer Doc Jones zu. Wenn Frank und ich uns erhofft haben sollten, dass unser Chief, der leitende Unteroffizier unseres Platoons, mit seinem Erfahrungsschatz eine gewisse reife Führungsrolle spielen könnte, dann wurden wir enttäuscht. Anders gesagt: Wenn wir gerade mal nicht enttäuscht waren, dann waren wir doch zumindest befremdet.
Vor allem war unser Platoon Chief noch nicht einmal ein Chief. Hospitalman First Class. Jack »Doc« Jones war ein Chief-Anwärter, das heißt, er musste sich den Rang und Titel eines Navy Chief Petty Officer noch verdienen. Am seltsamsten war jedoch, dass Doc nicht einmal ein BUD/S-Absolvent war. Man könnte sich jetzt fragen, weshalb so ein Sanitäter überhaupt in einem SEAL-Kampfzug steckte. Doc mochte zwar kein BUD/S sein, aber er war ein SEAL und ein verdammt guter dazu, der schon in Vietnam gekämpft hatte.
Auf dem Höhepunkt dieser grausamen Auseinandersetzung zwischen den beiden Vietnams konnte die Navy gar nicht so viele Mitglieder des Sanitätskorps durch die BUD/S-Ausbildung schicken, wie draußen im Feld gebraucht wurden. Sie bat also um Freiwillige, die sich in einem verkürzten Kurs zum Special Operations Technician ausbilden lassen wollten. Der SOT-Kurs dauerte kaum acht Wochen lang. In dieser Zeit lernten alle diese Sanitäter gerade einmal das eine Ende des M-16 vom anderen zu unterscheiden, mit einem Atemgerät zu tauchen und das Wort »SEAL« zu buchstabieren. Die Kursteilnehmer wurden danach nach Vietnam geschickt, um in SEAL-Kampfzügen als Sanitäter zu dienen. Nun, nicht nur als einfache Sanitäter. In den Teams sind diese Sanitäter bewaffnet, sie gehen auf Patrouille, springen mit dem Fallschirm ab, tauchen und sprengen wie alle anderen auch. Kurz, sie sind Operators.
In Vietnam erwartete man von den SOT-Absolventen, dass sie gegen Charlie kämpften und sich um verwundete SEALs kümmerten. Einige fielen, andere blieben am Leben. Alle Mitglieder des Sanitätskorps, die einen sechsmonatigen Kampfeinsatz bei einem SEAL Platoon überlebten, erhielten ihre Budweiser und verdienten sich den Navy-Ausbildungscode 5326, »Kampfschwimmer«. Doc Jones war ein solcher SOT-Absolvent und ein verdammt eigenwilliger Charakter in einer Gemeinschaft, in der es von eigenwilligen Charakteren nur so wimmelte.
Doc würde sich später als einer der tapfersten Männer erweisen, denen ich je begegnet bin. Das hätte man allerdings auf den ersten Blick kaum erkennen können. Äußerlich ähnelte er dem Schauspieler Peter Falk, der jahrelang den Inspektor Columbo spielte. Doc hatte nicht nur dessen Körperbau, sondern auch dessen zerknitterte Kleidung und ständig herumwandernde Augen. Er war ein kleiner, gedrungener Mann. Seine rötliche Gesichtsfarbe und seine dunklen Augen ließen ihn manchmal wie einen stämmigen portugiesischen Fischer aussehen. In Wirklichkeit war Doc ein fast reinrassiger Cherokee-Indianer.
Ein paar Dinge, die Frank und ich als Erstes über Doc hörten, ließen uns an seiner geistigen Gesundheit zweifeln.
Als
Weitere Kostenlose Bücher