Zum Küssen schön
hätte dem Mann doch sagen müssen, wie man küsst. Und er war so unbiegsam wie ein Stock gewesen. Er hatte sich nicht bewegt und kaum geatmet. Wirklich nicht der Romantiker, für den sie ihn gehalten hatte. Es tat ihr jetzt leid, dass sie ihn so oft mit seinen angeblichen Problemen im Umgang mit Frauen aufgezogen hatte.
Aber in gewisser Hinsicht war sie auch froh, dass er nicht das unverschämte Selbstbewusstsein so vieler Männer besaß, denn das bedeutete, dass er kein Heuchler war. In den letzten zwei Tagen hatte sie ja auch eine völlig andere Seite an ihm kennengelernt, eine menschlichere, verständnisvollere Seite. Beim Gedanken daran, dass er als Liebhaber unerfahren war, wurde ihr nun ganz schwindlig vor Erregung. Und sie konnte es kaum erwarten, ihm ihr überwältigendes Verlangen zu zeigen.
Als sie ein Geräusch an der Tür hörte, beschloss sie, ihn ein wenig zu reizen. Sie senkte die Stimme zu einem, wie sie hoffte, glutvollen, verführerischen Ton. “Daniel? Bist du das endlich? Es ist wirklich unfair von dir, erst meinen Appetit zu wecken und mich dann einfach warten zu lassen.” Sie stieß ein kehliges Lachen aus. “Ich bin am Verhungern!”
Dann legte sie den Kopf auf die Seite, ließ ein hoffentlich betörendes Lächeln ihre Lippen umspielen und wartete, bis er an die Tür kam. “Es wird aber auch …”
“Hallo!” Annie lachte laut auf. Ihre blauen Augen blitzten. Das dunkle Haar hing ihr in einem dicken Zopf bis zur schmalen Hüfte. Wie immer sah sie hübsch und lebendig und glücklich aus.
Daniel hat gute Arbeit an ihr geleistet, dachte Lacy, und seiner kleinen Schwester die Mutterliebe ersetzt.
Lacy setzte sich auf, aber Annie eilte hastig an ihre Seite und schob sie behutsam zurück in die Kissen. “Nein, wag es ja nicht, meinetwegen aufzustehen. Daniel hat mir erzählt, was passiert ist. Wie entsetzlich für dich! Tut es sehr weh?”
“Nicht mehr.”
“Es tut mir so leid, dass ich nicht zu Hause war, als du mich brauchtest! Besonders nach all der Hilfe, die du mir gegeben hast.” Annie umarmte Lacy, und über Annies Schulter sah Lacy Daniel hereinkommen und den Wäschekorb auf den Boden stellen.
“Annie, wirklich, es geht mir gut.”
“Nein, das glaube ich nicht. Daniel hat mir alles erzählt.”
“Daniel hat es dir schon erklärt?”
“Ja, und das beweist, was für ein Schatz er doch ist. Habe ich dir nicht immer gesagt, dass ich den wundervollsten Bruder habe? Jetzt wirst du mir vielleicht endlich glauben.”
Daniel räusperte sich vernehmlich. “Ich lasse Annie die Wäsche sortieren. Inzwischen mache ich uns das Essen warm.”
Lacy war seltsam enttäuscht, als sie wieder die gewohnte Kühle in seinen Augen sah, und wandte sich impulsiv an Annie. “Bleibst du zum Essen?”
“Warum nicht, wenn es ausreicht. Was habt ihr denn?”
“Mexikanisches Essen. Sehr scharf.”
Annie jauchzte begeistert. “Lecker! Ich leiste euch liebend gern Gesellschaft.”
Lacy warf Daniel einen herausfordernden Blick zu. “Sieh mal an, deine kleine Schwester mag auch gern pikantes Essen.”
Zu ihrem Ärger verließ Daniel das Zimmer, ohne zu antworten.
“Und jetzt sag schon. Was ist wirklich los?” Annie fing an, Schubladen und Schränke zu öffnen und Lacys Sachen wahllos hineinzustopfen. Sie war offensichtlich nicht gerade die Verkörperung einer guten Hausfrau.
Lacy räusperte sich, um Zeit zu gewinnen. “Ich weiß nicht, was du meinst. Was hat Daniel denn gesagt, was los ist?”
“Dass du verletzt worden bist und es niemanden gab, der sich um dich kümmern konnte, und so hat er sich angeboten. Er wusste ja auch, dass ich ihn umbringen würde, wenn er dich allein gelassen hätte.”
Lacy runzelte die Stirn. Also wollte Daniel nicht, dass Annie von dem Kuss erfuhr. Wahrscheinlich weil er ihren jungen, leicht zu beeindruckenden Geist nicht mit dem Gedanken besudeln wollte, er könnte mit einer Frau von ihrer Sorte etwas zu tun haben. Der Blödmann!
Annie tätschelte ihr die Hand. “Aber ich weiß, dass mehr dran ist.”
“Ach? Und wieso?” Lacy hoffte, sie sähe angemessen verwirrt aus.
“Ich habe ihm angeboten, bei dir zu bleiben, damit er nach Hause gehen kann, aber er hat abgelehnt. Er hält mich für nicht geeignet, auf dich aufzupassen.” Annie schnaubte verächtlich. “Dabei kann ich genauso gut den Sklaven spielen wie er.”
Lacy zuckte zusammen, als Annie ihre T-Shirts in eine Schublade stopfte. “Daniel spielt nicht den Sklaven für mich.”
“Er
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