Zum Morden verflucht
überwältigt von den widerstreitenden Gefühlen, die auf sie einstürmten. Einerseits fühlte sie den unwiderstehlichen Drang, sich ganz treiben zu lassen und sich den unheimlichen Kräften Dr. Emersons zu überlassen, andererseits warnte sie nun doch eine innere Stimme, nicht alle Brücken hinter sich abzubrechen, sich zu wehren gegen die Machtübernahme.
Zu spät!
Auf dem schwarzen Altar zuckten rötliche Flammen, deren Schein die Gesichter der Mädchen blutrot übergoß. Dr. Emersons Stimme brach mit einem schrillen Diskant ab.
In die Stille hinein ertönte ein Knistern und Prasseln, als stürzte die Decke ein. Die Flammen breiteten sich über den ganzen Altar aus, hüllten ihn ein, flackerten und loderten, ohne Hitze zu verbreiten.
Gebannt starrte Jane auf die Erscheinung, die sich innerhalb der Flammen abzeichnete. Eine mächtige, übermenschliche Gestalt formte sich aus dem Nichts heraus, eine Gestalt, von der Jane keine Einzelheiten erkennen konnte.
Nicht das Licht blendete sie, auch nicht die Hitze zwang sie dazu, den Kopf zu senken – sie ertrug den Anblick der Erscheinung nicht. Jane fühlte sich angezogen von der Übermacht des Bösen, gleichzeitig aber auch abgestoßen. Die Empfindungen rangen in ihr, tobten in einem heftigen Kampf.
Benommen sank sie zu Boden, das Gesicht in ihren
Händen verbergend. Sie wagte es nicht mehr, den Blickzu erheben. Sie wußte, daß die Erscheinung Besitz von
ihr ergriffen hatte, daß sie ihr machtlos ausgeliefert war.
»Ihr seid jetzt Sklavinnen des Meister!« drang Dr. Emersons Stimme in Janes Bewußtsein. »Ihr seid jetzt Töchter des Satans!«
Die folgenden Ereignisse brachen über Jane Haskill herein, ohne daß sie irgend etwas klar und bewußt miterlebt hätte. Sie verlor jedes Gefühl für Zeit, hätte hinterher also nicht mehr sagen können, ob es Sekunden oder Stunden dauerte. Den anderen Mädchen, die gemeinsam mit ihr
die Vorlesung von Dr. Emerson besucht hatten und jetzt das Schicksal Janes in dem unterirdischen Gewölbe teilten, erging es nicht anders.
Dr. Emersons verborgene Macht hatte sie alle zu willenlosen Sklavinnen gemacht, die vor dem Altar des Bösen knieten und zitternd auf die Befehle ihres Herrn und Meisters warteten.
Der Satan sprach nicht zu seinen Geschöpfen. Er bediente sich Dr. Emersons, seines geheimen Dieners.
»Ihr seid auserwählt, um auf Erden das Reich Satans zu errichten«, drang Dr. Emersons Stimme wie aus weiter Ferne an Janes Ohr. »Dir werdet morden und brandschatzen, ihr werdet Angst und Schrecken verbreiten, wer sich euch anschließt, wird gerettet, wer sich euch entgegenstellt, wird vernichtet. Das ist der Wille eures Meisters. Ihr seid zum Morden verflucht!«
Trotz der unwirklichen, wahnsinnigen Situation flogen Janes Gedanken zu der Vorlesung Dr. Emersons zurück, die sie vor Stunden auf Drängen ihrer Schwester besucht hatte. Ganz deutlich – wie in einem Film – lief die knappe Stunde vor ihrem geistigen Auge ab.
Da stand sie in der Tür, mit einer Falte ihres weiten Kleides an der Klinke festhängend, und meinte, sie müßte vor Scham in den Boden versinken. Ihre erste Reaktion war, sich umzudrehen und davonzulaufen. Sie sah nicht mehr die Tische und die daran sitzenden Mädchen, sie sah auch den Vortragenden nicht, der seine Hörerinnen begrüßte. Alles verschwamm vor ihren Augen, die sich mit Tränen der Angst und Verlegenheit füllten.
Doch dann sprach Dr. Emerson sie an, und vom ersten Augenblick an fühlte sie die ungeheure Macht, die dieser Mensch mit seiner Stimme über sie ausüben konnte. Die Unsicherheit, unter der sie seit Jahren litt, war plötzlich wie weggeblasen. Sie schaffte es nicht nur, sich von der Klinke zu befreien und an ihren Platz zu gehen, sie tat es sogar mit einer Selbstsicherheit, die für sie ans Unglaubliche grenzte und schon fast in den Bereich des Wunders gehörte.
Einen Rundblick hatte sie noch machen können, bevor
die Person des Doktors sie gefangennahm. Dieser kurze Rundblick hatte genügt, um ihr zu zeigen, daß die anderen zwölf Mädchen überhaupt nicht merkten, was um sie herum vorging. Alle starrten Dr. Emerson an, der im ersten Moment unbedeutend und unscheinbar wirkte. Auch Jane wollte ihn nur mit einem flüchtigen Blick streifen, doch ihre Blicke blieben an dem kleinen, untersetzten Mann hängen.
Er sprach mit leiser, dunkler Stimme, ohne daß sie verstehen konnte, wovon sein Vortrag handelte. Es war auch nicht wichtig, worüber er sprach. Wichtig war nur,
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