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Zum Nachtisch wilde Früchte

Zum Nachtisch wilde Früchte

Titel: Zum Nachtisch wilde Früchte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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freudiges Durcheinander. Huilsmann und Schreibert hatten ihre Jacken ausgezogen, die Mädchen lachten girrend, denn Schreibert hatte in ihren Sekt Kognak gemischt, und nun merkten sie die Wirkung des Alkohols. Sie kicherten, lagen vor den Sitzkissen auf dem Teppich und rollten sich unter den Händen der Männer wie mit Wollknäueln spielende Katzen.
    »Ende des Essenfassens!« schrie Schreibert gerade, als Boltenstern aus dem Bad kam. »Marscherleichterung, Kameraden! Alles fertigmachen zum Picknick!«
    Am Kamin stand Erlanger und küßte Beatrice; sie hatte das rechte Bein um seine Hüfte geschlungen, wie eine Liane sich um einen Baumstamm klammert.
    »Die Jagd beginnt!« brüllte auch Huilsmann. Er war sichtlich angeschlagen und benutzte den Körper der roten Mary als Fußbank. »Jungs, womit fangen wir an? Sektkreisel? Pfänderspiel? Rate mal, was kommt denn da …? Im übrigen – es muß viel mehr gesoffen werden!«
    »Fällt uns nichts Neues ein?« sagte Erlanger und goß der platinweißen Beatrice Sekt ins Glas.
    »Vielleicht doch.« Boltenstern setzte sich auf die Platte des Couchtisches neben dem Kamin und schob mit beiden Händen die Kristallkaraffen mit den Likören zusammen. »Wenn ihr mitmacht … wenn ihr keine Angst habt … ich kann euch eine völlig neue Welt bieten …«
    »Zum Mond habe ich jetzt keine Lust«, sagte Schreibert.
    »Wenn du Fantasie hast, bist du in einer Stunde oben! Ich habe LSD mitgebracht.«
    »LSD?« schrie Schreibert und zog die blonde Lola an sich. »Junge, Alf … ist das eine neue nette Schweinerei?«
    »LSD heißt Lysergsäurediäthylamid –«
    »Aufhören!« brüllte Schreibert. »Jetzt wird der wieder wissenschaftlich! Mädels, schnappt euch ihn! Der verdirbt uns die ganze Laune.«
    Boltenstern blieb sitzen und winkte nur Karin ab, die mit wiegenden Hüften und zwei Sektgläsern auf ihn zukam.
    »Dieses LSD ist ein Rauschgift«, sagte Boltenstern ruhig. »Das stärkste Rauschgift, das man kennt.«
    »Oha!« Huilsmann stellte sein Glas ab. »So 'ne Art Haschisch?«
    »Stärker! Es schlägt sogar das Meskalin.«
    »Das wird aus einer mexikanischen Kakteenart gewonnen, wenn ich mich nicht irre«, sagte Erlanger.
    »Aus der Kaktusart ›Peyotl‹. Stimmt.«
    »Ist das denn die Möglichkeit! Wir haben hier die süßesten Mädchen zwischen Düsseldorf und der Ostsee auf dem Schoß, und die Kerle unterhalten sich über Kakteen!« Schreibert nahm sein Glas und warf es nach Boltenstern. Es flog an dessen Kopf vorbei und zerschellte an der Kaminwand.
    »Ich habe es aus Paris mitgebracht«, sagte Boltenstern und holte seine Brieftasche aus dem Rock.
    Plötzlich war es still um ihn. Sogar Schreibert stellte seine Empörung ein und schob das zweite Glas, das er nach Erlanger werfen wollte, auf den Tisch zurück.
    »Paris –«, sagte er gedehnt. »Das ist immer anhörenswert.« Was aus Paris kam, wurde von Schreibert akzeptiert. Paris war seine große Sehnsucht. Paris galt für ihn als der Nabel der Welt.
    Boltenstern sah über die verstreut herumliegenden Freunde und die Mädchen mit ihren zerwühlten Haaren. Ein leichtes, unmerkliches Lächeln zuckte in seinen Mundwinkeln.
    »Ich war vor drei Tagen in Paris –«
    »Du Heuchler!« rief Schreibert. »Und nichts erzählt er davon.«
    »… am letzten Abend war es, da gehe ich spazieren an der Seine. Es ist ein unvergeßlicher Anblick, am Quai zu stehen und hinüberzusehen zur Notre-Dame, wenn der Mondschein über ihre Dächer gleitet und die Hunderte von Steinfiguren zu leben beginnen. Ich stütze mich auf die steinerne Brüstung, beuge mich etwas vor und sehe unter dem Brückenbogen ein kleines Feuer. Um das Feuer sitzen etwa zwanzig dunkle Gestalten, Männer und Frauen; Zeitungen, alte Teppiche, Decken, zerschlissene Matratzen und sogar ein Schaukelstuhl mit zerfetztem Rohrgeflecht liegen herum. In der Mitte des Kreises, beschienen vom Feuer, hockte ein Mädchen mit langen Haaren. Es hatte die Arme weit emporgestreckt zur feuchten Brückendecke, bewegte den Oberkörper hin und her, wie das Pendel eines Metronoms, und dabei stammelte es Worte, lachte und wimmerte dann wieder leise. Mein Gott, denke ich. Das sieht ganz nach einer Trance aus. Gehe einmal hinunter und sieh dir das an. Und so war's. Die dunklen Gestalten musterten mich, als ich unter ihren Brückenbogen trat, meistens junge Leute waren es mit ausgezehrten, bleichen Gesichtern, und das Mädchen in der Mitte begann nun zu singen, mit einer hohen, unwirklichen, lispelnden

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