Zum weißen Elefanten
Küche eingesperrt zu sein. Abgesehen davon, daß sie in jeder freien Minute gebadet hatte, war sie seit Beginn der Hochsaison kaum vor die Türe gekommen. Sie fand es spannend, die zwei Meilen bis zum Laden zu reiten, ihr Pony in Noras Koppel zu führen und dann ihren Platz hinter der Theke einzunehmen. George Enderby war überrascht und etwas schockiert, sie dort zu sehen, als er eines Morgens hereinschaute. Die letzten zwei Monate hatte er woanders verbracht, denn er litt unter der Hitze und haßte die Küste, wenn sie, wie er es ausdrückte, »von billigem Ferienvolk« belagert war. Jetzt war er auf dem Weg zu seiner Schwester und hatte vor, dem >Weißen Elefanten< einen kurzen Besuch abzustatten. Jane war alleine im Laden, begrüßte ihn herzlich und fügte hinzu: »Womit kann ich Ihnen heute dienen, mein Herr?«
»Aber meine Liebe, ist das nötig? Geht das Geschäft so schlecht?«
»Natürlich hat es nachgelassen, wie immer in der toten Zeit. Aber ich mache das aus Spaß. Ist mal was anderes als kochen.«
»Aber ist das nicht ein bißchen anspruchslos — ich meine, unter Ihrer Würde? Ich habe nie viel davon gehalten, eine meiner beiden jungen Freundinnen hinter einem Ladentisch zu sehen. Noblesse oblige, wissen Sie.«
»Weiß ich nicht«, dachte Jane. »Ich verstehe nicht, was seine ganzen dummen Klischees bedeuten.« Laut sagte sie fröhlich: »Wenn Sie von Würde sprechen, Mr. Enderby, muß ich gestehen, daß ich keine besitze. Auch nicht viel Noblesse. Mir macht das Spaß, und ich habe Nora gerne.«
George sah leicht schockiert aus und murmelte: »Eigenartig«, und versuchte dann, den Rest in Husten untergehen zu lassen. »Eigenartig, daß man eine Verkäuferin gerne haben kann«, erklärte Nora vergnügt, als Jane ihr später davon erzählte. Um ihn aufzuheitern, sagte Jane: »Auch Katherine arbeitet, aber sie ist viel damenhafter. Sie hat wieder zu zeichnen begonnen.«
Das »Ah-h« des >Fürsten< drückte tiefe Befriedigung aus. Das war die richtige Ablenkung für junge Damen. Jane erzählte ihm nicht, daß sich das Malen in Gesellschaft eines jungen Mannes mit Bart vollzog. Sie hatte das Gefühl, daß er den Bart noch schwerer schlucken würde, als Noras Ladentisch. Sie war glücklich, berichten zu können, daß Kit an diesem Tag zu Hause war und sich freuen würde, Mr. Enderby zu sehen, wenn er vorbeikam; sie hoffte nur, daß Kenneth nicht erscheinen würde.
Aber hier hätte sich Jane mehr auf Katherine verlassen sollen, die trotz ihrer augenscheinlichen Einfältigkeit ein gewisses Maß an scharfem gesunden Menschenverstand besaß. Das durfte Jane jedoch unter keinen Umständen zugeben, denn wäre Kit nicht ein so liebenswertes einfältiges Geschöpf gewesen, das sie mitgeformt hatte, dann hätte man sie für egoistisch und sogar selbstsüchtig halten müssen, und das war einfach undenkbar.
Katherine erkannte den blauen Wagen, als er am Tor hielt. Sie war gerade ernsthaft in die Betrachtung einer besonders blauen See, die Kenneth porträtiert hatte, versunken, aber sie behielt einen kühlen Kopf. »Du bleibst besser im Eßzimmer«, sagte sie schnell. »Das ist Mr. Enderby, und seine Einstellung zu Kunst und Bärten ist etwas seltsam.« Dann stürzte sie dem »Fürsten« mit mädchenhafter Begeisterung entgegen.
»Aber es ist ja wirklich Ewigkeiten her, daß ich Sie zum letztenmal gesehen habe, und es gibt ganze Romane über den >Weißen Elefanten< und uns zu berichten«; und sie begann in ihrer naiven, kindlichen Art, die George so gerne mochte, zu erzählen.
»Schade um Jane«, sagte er, als sie geschlossen hatte. »Hat doch keinen Zweck, sich mit einem Laden abzugeben. Ja, ich weiß, die Stevensons sind nette Leute, und sie haben viel geholfen — aber das liegt alles auf Handelsebene. Hinter einem Ladentisch zu bedienen ist unter der Würde, wie ich ihr sagte. Manchmal eigenartig, dieses Mädchen. Sagte, es würde ihr Spaß machen.«
»O ja. Jane kann gut mit Geld umgehen, wissen Sie. Darum kümmert sie sich auch hier, und ich glaube, sie ist Nora eine große Hilfe, weil sie immer das Wechselgeld zählen kann. Außerdem verspürt sie keinen schöpferischen Drang. Ich bin so froh, daß ich ihm nachgeben kann. Eine gute Sache, denn in Geldsachen bin ich nicht sehr geschickt, und in einem Laden würde ich nicht sehr nützlich sein.«
»In einem Laden? Das will ich auch nicht hoffen. Wohin ist die Welt gekommen? Die Leute wissen nicht mehr, wo sie hingehören. Man stellt sich mit seinem
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