Zum weißen Elefanten
Morgens sagte Rosman: »Ich habe mir ein kleines Zelt gekauft, in das ich ziehen werde, wenn ihr an Ostern ausgebucht seid. Ich möchte gerne helfen, wenn ihr soviel zu tun habt. Dann fühle ich mich zur Familie gehörig und nicht wie jemand, der eure Großzügigkeit ausnutzt. Ich kann Geschirr abwaschen und Teller angeben, vielleicht nicht gerade sehr perfekt, aber immerhin.« Er sah tapfer, aber ausgesprochen hilflos aus. Jane nahm ihn ohne Hemmungen beim Wort. Sie hatte sich so sehr vor einer Wiederholung der Hetze an Weihnachten gefürchtet, und sie wußte, daß sie von Hugh nicht viel Hilfe erwarten konnte, denn trotz aller gegenteiligen Behauptungen brauchte Nora ihn jetzt wirklich, wenn viel zu tun war. Kenneth hatte ein altes Auto und bot sich an, die verschiedenen Lebensmittel, Fleisch, Gemüse, Milch und Kleinigkeiten des täglichen Gebrauchs anzuliefern.
»Vielleicht kannst du Katherine manchmal freigeben, um mit mir zu kommen. Ein bißchen frische Luft reinigt die Seele eines Künstlers.«
Jane war natürlich damit einverstanden, sagte aber leise zu Tony, daß in diesem alten Auto genügend frische Luft sei, um jede Seele gründlich durchzufegen, und sie hoffte, daß dies geschehen würde.
Tony ließ sich in diesen Tagen nicht oft blicken. Er sah Kenneth mürrisch an, sagte zu Jane, daß er diesen Typ — »nur Bart und Gebabbel« — nicht ausstehen könne und bemerkte, daß Katherine, da sie eine Künstlerseele gefunden hatte, nur wenig Zeit für einen gewöhnlichen Farmer erübrigen würde. Deshalb tröstete er sich — wie sich sein Onkel mürrisch ausdrückte — mit »einer gewöhnlichen kleinen Nutte« aus Condon. Eines Abends, als die Mädchen mit Rosman in einen Film gingen, sah ihn Jane dort mit dem Mädchen. Sie war vielleicht gewöhnlich, aber unbestreitbar hübsch, und Jane konnte Tony verstehen. Im Augenblick war sie auch nicht allzusehr an Künstlern interessiert.
»Ich glaube, das ist Tonys Typ«, bemerkte Katherine. »Er ist ein Engel, aber ich habe nie angenommen, daß er viel Geist hat.«
»Wenn er nur ein bißchen Verstand hätte«, sagte Mrs. Carr gereizt zu ihrem Bruder, »dann würde er seine Aufmerksamkeit Jane zuwenden. Sie ist vielleicht keine Schönheit, aber sie ist zweimal so viel wert wie ihre Kusine und bestimmt ein Dutzend mal so viel wie dieses alberne kleine Geschöpf, das er jetzt mitgenommen hat.«
Ihr Bruder stimmte ihr besorgt zu. Inzwischen hatte er von Kenneth Rosmans Existenz erfahren und Mollie anvertraut, daß Frauen doch seltsame Geschöpfe seien und daß die Schönheit nicht unter die Haut gehe. Mit seiner originellen Bemerkung sehr zufrieden, fügte er hinzu, daß Jane ein sehr nettes Mädchen sei und offensichtlich keine höheren Ambitionen habe. Bei ihr gab es keine künstlerische Schwärmerei, sagte er, und dachte traurig an die zwei kindlichen Skizzen, die in den Tiefen eines dunklen Schrankes vergraben waren.
Katherine amüsierte sich und machte sich nicht die geringsten Sorgen um ihre Zukunft. »Mein Schatz, alles wird gutgehen. Es ist völlig falsch, immer an Geld zu denken«, meinte sie zu Jane. Obwohl das nur so dahingesagt war, war ihre Kusine von dieser Einstellung weniger begeistert und erklärte, daß auf Ostern mindestens acht dürre Monate folgen würden, in denen der >Weiße Elefant< in den Winterschlaf versank, und sie von ihren geistigen Fähigkeiten leben mußten.
»Wie aufregend das klingt. Das würde ich gerne versuchen. Ist es nicht ein Segen, daß ich meine Skizzen verkaufen kann? Vielleicht ist der Condoner Markt erschöpft. Ken meint, ich sollte noch mehr Skizzen zeichnen und sie in die Stadt schicken.«
Jane sah sie verzweifelt an. Bei den zwei Skizzen hatte sie schon immer ihre Bedenken gehabt; schließlich besaß George Enderby eine ganze Menge Geld. Aber daß Katherine glaubte, sie könne von dem leben, was sie Kunst nannte, war heller Wahnsinn. Sie sagte: »Ach Kit, darüber würde ich mir jetzt noch nicht den Kopf zerbrechen. In den Großstädten gibt es so viele Künstler, und man muß sich erst einen Namen machen. Wir haben noch den ganzen Winter vor uns, und dann kannst du malen, soviel du willst. Bis dahin müssen wir aber unser Bestes tun, um diese alte Pension in Gang zu halten. An Ostern wird Hochbetrieb herrschen, und dann mußt du deine Pinsel einmal weglegen. Wenn es dann überstanden ist, müssen wir versuchen, ein paar freundliche alte Leute einzufangen, die weiter in einem milden Klima bleiben möchten —
Weitere Kostenlose Bücher