Zum Wilden Einhorn
zusammenlebte. Es fiel ihm schwer, sich diese Frau - obwohl er sie nun kräftiger fand, als er gedacht hatte - unter einem so gewichtigen Mann vorzustellen ...
Plötzlich wurde ihm klar: Das waren erstaunlich kräftige Muskeln unter ihm ... Die Frau war kein Schwächling. Tatsächlich ...
Während er mit dem Liebesakt fortfuhr, staunte Stulwig. Diese wallenden S'danzo-Röcke, dachte er, verbergen mehr als zierliche Glieder. Wahrhaftig war sein plötzlicher Eindruck, daß Illyra eher rundlich war. Offenbar trug sie die vielen Röcke, um einen weit schwereren Körper zu verbergen, als man auf einen Blick annehmen mochte. Die Täuschung gelang ihr auch gut, bei ihrem schmalen und so jungen Gesicht.
Nun, das spielte keine Rolle. Sie war alles andere als leicht zu erobern gewesen. Doch nun war sie hier und gab sich ihm sogar inbrünstig hin. Interessant war auch, daß ihre Haut sich ungewöhnlich warm anfühlte, fast als hätte sie Fieber.
Er kam zum Höhepunkt, und so dachte er einen Moment lang nicht an ihre Größe. Als ihm dann bewußt wurde, daß ihr weicher runder Körper sich in den einer Amazone verwandelt hatte, war ihm, als stürze er aus einem wundervollen Traum in die tiefsten Abgründe eines Alptraums.
Sein plötzlicher, aber unmöglicher Eindruck: er lag auf einer Frau, die bestimmt sechs Fuß groß war und deren Hüften gewiß um mindestens einen Fuß breiter waren als seine.
Wie betäubt fragte er, was ihm in den Kopf gekommen war: »Illyra, was soll das? Ist das irgendein Zaubertrick?«
Mit einer fließenden Bewegung löste er sich von diesem gewaltigen Frauenkörper, glitt auf den Boden und kam auf die Füße.
Im gleichen Moment leuchtete etwas gleißend auf, erhellte die ganze Kammer und zeigte eine in jeder Hinsicht übergroße nackte Frau, die sich nun auf seinem Bett aufsetzte.
Und noch etwas sah Stulwig: eine riesenhafte Männergestalt, die aus sich heraus zu glühen schien. Sie kam durch eine Tür, die vor seines Vaters Tod ein Privateingang zu Altens Schlafkammer gewesen war, die er aber inzwischen längst versiegelt hatte. Ja, aus ihr heraus kam diese leuchtende Gestalt.
Stulwig hatte nur Zeit für einen flüchtigen Blick, aber seine Gedanken überschlugen sich, und er zweifelte nicht daran, daß dieser Glühende Vashanka höchstpersönlich war.
Wie betäubt hatte er nach seinem Stock gegriffen, und schon wich er nackt rückwärts durch die Tür, die ins Treibhaus führte.
In der Schlafkammer schrie ein Gott in tiefem Bariton auf die nackte Amazone ein, die immer noch am Bettrand saß. Und die Amazone brüllte mit einer männlich klingenden Tenorstimme zurück. Die Sprache, die beide benutzten, war nicht die von Ilsig.
Aus Berufsgründen hatte Stulwig mehrere hundert Grundworte in einem halben Dutzend rankanischer Dialekte gelernt. Während er nun angespannt lauschte und immer mehr vertraute Worte vernahm, erfuhr er die Wahrheit.
Die Frau war Azyuna. Und Vashanka beschimpfte sie ihrer Untreue wegen, und sie drehte den Spieß um und beschuldigte ihn der Liebschaften mit irdischen Frauen.
Stulwig staunte nicht schlecht. So stimmte es also, was aus vielen Sagen hervorging, daß die Götter in ihren körperlichen Bedürfnissen den Menschen nicht unähnlich waren und offenbar auch in ihrem Wesen nicht.
Für ihn in seiner Lage zählte jedoch am meisten, daß Azyuna ein Abenteuer mit einem Irdischen gesucht hatte. Diese Frauen! dachte er. Sie haßt die blutschänderische Beziehung. Fühlt sich erniedrigt, bedrückt, hoffnungslos. Und ist trotzdem eifersüchtig, wenn ihr Gott-Gatte-Bruder sich zur Erde begibt -wie die Götter es seit Anbeginn der Zeit tun -, um mit einer Sterblichen zu liegen, oder zwei, oder gar hundert.
Also hatte sie sich gerächt, hatte die Gestalt einer irdischen Frau angenommen und auf listige Weise einen Mann betört - diesmal ihn, und vor dreieinhalb Jahren seinen Vater. Was im sündigen Freistatt nicht allzu schwierig war.
So war Zehntöter in seiner Eifersucht zum Elftöter geworden - wenn Menschen in der Rechenkunst der Göttlichen überhaupt zählten.
Stulwig befand sich nun in seinem Treibhaus, jedoch ohne eine schnelle Fluchtmöglichkeit (es dauerte seine Zeit, die Tür hier aufzusperren). Er wappnete sich, umklammerte seinen Stock, und wartete, ohne zu wissen worauf.
Ihm wurde bewußt, daß sich die beiden in seiner Kammer nicht mehr gegenseitig Beschimpfungen an den Kopf warfen. Die Frau war aufgestanden und gerade dabei, die S'danzo-Röcke um ihre
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