Zum Wilden Einhorn
Ihr seid nicht besser als ich.«
»Sicher nicht, nur, daß ich länger als Ihr leben werde. Und ich werde dafür sorgen, daß Ihr Euer nötiges Bestattungsritual nicht bekommt!«
»Das - das würdet Ihr doch nicht tun?«
»Wie Ihr sagtet - mein Zorn gilt jedem einzelnen von Euch!«
Mit einer Verwünschung, bei der selbst die Soldaten die Hände auf die behelmten Ohren drückten, rannte der Erzmagier über die Straße und ohne ein weiteres Wort durch die Tür, über der das Schild »MÄNNER« hing. Er winkte seinen Leuten, ihm zu folgen.
Der abnehmende Mond stand hoch am Himmel, als eine Schenkmaid herbeikam und Tempus fragte, ob er keinen Hunger habe. Sie brachte ihm Fisch, den er aß, ohne die Türen aus den Augen zu lassen.
Als er den letzten Bissen schluckte, war ein schreckliches Grollen zu vernehmen und gleich darauf bebte die Straße. Tempus sprang aus dem Sattel und beruhigte sein Pferd. Die Türen von Vashankas Waffenladen begannen zu schimmern und nahmen Farbe an. Der Mond versteckte sich hinter einer Wolke. Die Kuppel des neuerschienenen Bauwerks wackelte. Risse durchzogen sie, und Dampf stieg von ihr auf. Die Türen waren jetzt rubinrot und fingen an zu schmelzen. Gewimmer und Schreie waren zu hören, während Schwefel- und Ozongeruch sich ausbreitete.
Gäste aus dem Wilden Einhorn kamen mit Krügen in der Hand auf die Straße, hielten sich jedoch in sicherer Entfernung von dem schwankenden Bauwerk, das nun heulte, während es sich aufblähte und prasselnd Feuer spuckte. Die Türen glühten weiß und waren fast nicht mehr zu sehen. Eine Gestalt hob sich von der linken Türöffnung ab und versuchte in die leere Luft zu klettern. Sie brannte und kreischte, hüpfte verzweifelt, mit dem Gesicht zur Straße gewand, war aber nicht imstande, durch die unsicht bare Barriere zu gelangen, gegen die sie hämmerte. Der Gestank von brennendem Fleisch war grauenvoll. Hinter der Gestalt schmolzen Helme, und das Metall tropfte in die verzerrten Gesichter der Soldaten, deren Schnurrbärte Feuer gefangen hatten.
Der Hexer, der gegen die unsichtbare Barriere schlug, hatte keine Fäuste mehr, und die Soldaten hinter ihm begannen zu verkohlen als Bilder der Verdammnis. Die Türen, die kaum mehr zu sehen gewesen waren, kühlten ab, glühten zuerst weiß, dann gold, dann rot.
Auf der Straße herrschte die Stille des Schreckens. Nur das Schnauben des Pferdes und das Kreischen des Kuppelbaus waren zu hören. Dann wurde das Kreischen zu einem Knurren und Röcheln. Die inzwischen weiter abgekühlten Türen wurden dunkel.
Die verstörten Zuschauer murmelten Schutzworte, machten Schutzzeichen und kehrten, immer wieder einen Blick über die Schulter werfend, ins Wilde Einhorn zurück.
Tempus, der dreißig unschuldige Soldaten und einen schuldbeladenen Hexer hätte retten können, holte sein Silberdöschen hervor und schnupfte eine Prise Krrf.
Er mußte bald im Liliengarten sein.
Als er dort ankam, war die durch Krrf und Tod herbeigeführte freudige Erregung vergangen.
Was war, wenn Nachtschatten nicht mit den Nadeln kam? Was war, wenn Cime nicht kam, sie sich zurückzuholen? Was war, wenn es immer noch schmerzte, wie seit mehr als dreihundert Jahren nicht mehr?
Er hatte eine Botschaft vom Palast, von Prinz Kadakithis persönlich. Aber er würde sich nicht dorthin begeben, noch nicht. Er wollte keine Fragen über des Aspects Ende beantworten, nicht darin verwickelt erscheinen. Seine einzige Chance, dem Prinz-Statthalter wirklich zu helfen, ließ sich nur nutzen, wenn er auf seine eigene Weise vorging. Das waren von vornherein seine Bedingungen gewesen. Und Kittys Anhänger in der rankanischen Hauptstadt waren darauf eingegangen. Sie hatten ihn angestellt, ihn ersucht, in Freistatt den Höllenhund zu spielen und zu sehen, was er tun konnte. Nirgendwo hatten Kriege stattgefunden, und ihn hatte die Langeweile gequält, in seinen endlosen, düsteren Tagen. So hatte er, um beschädigt zu sein, die Fürsorge für Kitty übernommen. Das Errichten des Vashanka-Tempels tat er mehr aus sich heraus, als für Kadakithis, der zwar einsah, daß die Erhebung der Staatsgötter über die Ilsiggötter nötig war, im Grund genommen aber nur etwas von Zauberei und seinem eigenen, edlen rankanischen Blut hielt.
Tempus war nicht glücklich über diesen Zwischenfall mit Vashankas Waffenladen. Eine unsaubere Sache, dieses Schmelzen und sich Wiederverfestigen. Der Erzmagier mußte über nicht geringe Kräfte verfügt haben, daß der Kampf für
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