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Zum Wilden Einhorn

Titel: Zum Wilden Einhorn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Asprin
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alle im Freien sichtbar geworden war.
    Weisheit ist, den Gedanken zu kennen, der alles durch alles lenkt, hatte ein befreundeter Philosoph einmal zu ihm gesagt. Der Gedanke aber, der in Freistatt alles lenkte, war verschwommen und verworren.
    Das war der Haken, das Problem, wenn man Übernatürliches in einer natürlichen Umgebung anwandte. Alles geriet durcheinander. Wenn so viele Zauber am Werk waren, wurde das Gewebe der Kausalität übermäßig gedehnt. Fügte man noch die Götter hinzu, dann sahen das Gute und das Böse sich auf einem Spielbrett gegenüber, das die gesamte Erscheinungswelt einschloß. Er wünschte sich, die Götter blieben in ihrem Himmel, und die Zauberer in ihrer Hölle.
    Oh, endlosen Spott hatte er sich anhören müssen, über die Simultaneität; die ständige Neubestimmung der Gegenwart durch Vergleiche mit der Zukunft; das alchimistische Gesetz der Übereinstimmung. Als er Student der Philosophie gewesen war und Cime ein junges Mädchen, hatte er gelernt, daß der Geist schrankenlos ist und sich selbst lenkt, während alles andere miteinander verbunden ist, daß nichts völlig getrennt von allem andern und nichts geteilt ist, außer dem Geist.
    Die Zauberer sahen es etwas anders: Sie beschworen das Bewußtsein der Dinge und bedienten sich ihrer nach den Gesetzen der Magie.
    Weder Philosophie, noch Theologie, noch Thaumatologie boten Tempus die Lösung. So hatte er sich von ihnen allen abgewandt. Doch was er gelernt hatte, konnte er nicht vergessen.
    Und kein Eingeweihter gibt gern zu, daß man nichts umsonst bekommt. Der Preis für unnatürliches Leben ist unnatürlicher Tod.
    Er wünschte sich, er könnte in Azehur bei seiner Familie aufwachen und erkennen, daß alles nur ein unheiliger, schlimmer Traum gewesen war.
    Doch statt dessen erreichte er Amolis Freudenhaus, den Liliengarten. Fast, aber nicht ganz, ritt er die Stufen hoch. Der Versuchung widerstehend, dachte er darüber nach, daß es in jedem Zeitalter, das er studierte, Weltuntergangsstimmungen gegeben hatte. Kein Jahrtausend ist für den, der in ihm lebt, wirklich zufriedenstellend. Im Altertum wurden genügend Prophezeiungen gemacht, daß in jedem Zeitalter einer, der es sich in den Kopf setzte, behaupten, und diese Behauptung untermalen konnte, daß das Weltende bevorstehe. Doch zu diesen düsteren Gesellen wollte er nicht gehören. Er hatte nicht vor, sich über irgend etwas anderes Gedanken zu machen, als über sich selbst und die Angelegenheit, die der Erledigung durch ihn harrte.
    In Amolis Haus spielte Hanse, mit einem ganz jungen Mädchen auf jedem Knie, den großen Mann.
    »Ah«, winkte er Tempus zu. »Ich habe etwas für Euch.« Nachtschatten schob beide Dirnen von sich, stand auf und räkelte sich, daß das Leder jeder Scheide der Arm-, Bein- und Gürteldolche leicht knarrte. Die beiden Mädchen zu seinen Füßen blickten mit furchtgeweiteten Augen zu Tempus hoch. Eines wimmerte und klammerte sich an Nachtschattens Schenkel.
    »Kammerschlüssel!« befahl Tempus niemandem im besonderen und streckte die Hand aus. Der Pförtner, nicht Amoli, brachte ihm das Gewünschte.
    »Hanse?«
    »Ich komme schon.« Nachtschatten griff nach einem der zwei Mädchen.
    »Allein!«
    »Ihr seid aber nicht mein Typ«, brummte der Dieb argwöhnisch.
    »Ich brauche nur einen Augenblick deiner Nacht, mit dem Rest kannst du machen, was du willst.«
    Tempus betrachtete den Schlüssel, dann stieg er eine Treppe hoch und ging zu der Kammer mit der Nummer, die auch der Schlüssel trug.
    Nachtschatten folgte ihm fast lautlos.
    Als der Austausch stattgefunden hatte, verließ der Dieb die Kammer, zufrieden mit der Bezahlung, die Tempus von sich aus erhöht hatte; aber er war sich nicht sicher, ob der Höllenhund seine Leistung auch wirklich zu schätzen wußte, und ob er nicht noch viel mehr dafür hätte verlangen und bekommen können.
    Er sah die Frau, die er beraubt hatte, bevor sie ihn bemerkte, und verzog sich deshalb hastig in die Kammer einer anderen Dirne, als der ursprünglich erwählten, um einen Zusammenstoß mit der Bestohlenen zu vermeiden. Als deren Schritte verklungen waren oder vielmehr vor der Tür anhielten, hinter der der Höllenhund wartete, warnte er das Mädchen, ihn ja nicht zu verraten, ehe er die Hand von ihrem Mund nahm und die Treppe hinunterhuschte, um sein Geld lieber anderswo auszugeben.
    Wäre er geblieben, hätte er vielleicht den wirklichen Wert der Brillantnadeln erfahren, oder worüber der Söldner mit der hohen

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