Zungenkuesse mit Hyaenen
wollte, und zeichnete eine Skizze.
Gonzo breitete ein Handtuch aus, füllte einen Becher mit Wasser, kramte aus seinen Utensilien ein Tintenfass mit schwarzer Tinte hervor und förderte, ich weiß nicht, woher, eine Einwegkanüle zutage. Er arbeitete knapp eine Stunde bei Zellenlicht und zwei weitere bei fahlem Mondschein weiter. Es war ein gleichförmiger Dauerschmerz, tunken-picken-wischen, tunken-picken-wischen, ich biss die Zähne zusammen und sagte keinen Mucks. Unsere Mona! Von wegen anständige Offizierstochter! Da lachen ja die Hühner! Wie hieß Müller mit Vornamen? Wieso fiel mir das nicht ein? Hatte ich das nie gewusst? Wann hatte er seinen Autounfall und wo? Und Benedikt von Rube, Big Ben, war das Ben? Natürlich war das Ben! Big Ben, der Mann mit den Schwulenwitzen, den Buttersemmeln, dem Krokodil in der Badewanne – er war mein Vater! Hatte ich mir nicht Ähnliches gewünscht? Sollte ich jetzt nicht glücklich sein?
Aber war er es wirklich? War er nicht baltischer Adel? Gut, er war Zeitungsjunge gewesen, er war genauso alt wie Mutter. Meine Mutter hatte aus Liebe eine Falschaussage gemacht. Meine Mutter hatte ihrem Ehemann ein Kuckuckskind untergejubelt. Big Ben und Müller, beide waren sie mit meiner Mutter zusammen gewesen. Beide hatten Kontrolle über mein Leben übernommen, einer von ihnen hatte mich vielleicht in den Knast gebracht, einer von ihnen war mein Vater.
»Na, wie gefällt es dir?«, sagte Gonzo.
Wir hatten keinen Spiegel in der Zelle, also blickte ich auf meine geschundene Brust hinunter und sah einen Drachentöter auf dem Kopf stehen, der dem Untier sein Schwert in den Rachen stößt.
Beim Zellenaufschluss hatte ich so gut wie gar nicht geschlafen. Und als Steinbrecher, ganz untypisch, mich anwies, meine Sachen zu packen und mich zur Abholung bereitzuhalten, wusste ich, dass Mutter Wort gehalten hatte.
TOILETTENGEWITTER
Gonzo schenkte mir zum Abschied seine stinkende Jeansweste und drückte mich heftig an seine Brust. Steinbrecher drohte mir mit dem Finger und sagte: »Auf Wiedersehen sage ich lieber nicht!« Am Ausgang händigte man mir Smartphone, Schlüsselbund und Armbanduhr aus. Ich musste den Entlassungsschein unterschreiben, ein Papier, in dem ich zusicherte, mich zur Verfügung zu halten, und eine Belehrung darüber, dass ich 25 Euro Haftentschädigung für jeden Tag in Untersuchungshaft bekommen würde – und schon war ich frei. Mein Bündel unterm Arm, verließ ich den Schwarzen Bunker. Derlaue Frühlingswind spielte in meinen Haaren und Kleidern, in meinem Herzen jedoch saß Wut. Mutter, Müller, Big Ben, sie alle hatten mich belogen, betrogen, benutzt. Ich steuerte direkt auf den Leuchtturm zu.
Als ich den Blick hob, sah ich direkt vor mir auf dem Weg eine tote Frau liegen. Sie war halbnackt, Hals und Kopf lagen in einer Blutpfütze. Ihre Augen waren geöffnet und blickten leicht verdreht himmelwärts. Nicht schon wieder ein Mord, mit dem man mich in Zusammenhang bringen konnte! Doch noch ehe ich meinem spontanen Fluchtimpuls nachgeben konnte, rief es laut: »Danke!« Die Leiche stand auf, klopfte sich das Hemdchen ab und kratzte sich am Po.
»Meikelll«, dröhnte es hinter mir, und ich sah mich um. Kuki Bobito war da, hoch und bedrohlich, eine schwarze Dame, die mir Schach bieten wollte. »Was machst du denn hier?«
»Bin eben aus dem Gefängnis entlassen worden. Und du?«
»Tatort, hab grad Drehpause. Wollen wir Kaffee trinken? Schwarz und unergründlich, wie die Seele einer Frau!«
Und ob ich wollte. Wenig später saß mir Kuki in einer Cafeteria gegenüber, pöbelte die Bedienung an, weil es keinen Alkohol gab, und ließ die rosa Zungenspitze über ihre rissigen grauen Lippen tanzen.
»Siehst geil aus«, flüsterte Kuki heiser und zeigte viele Zähne.
»Was gibt es Neues?«, fragte ich, weil mir vor Verlegenheit sonst nichts einfiel.
»Laber nicht, komm aufs Klo!«
»Pardon?«
»Aufs Klo! Geknutscht haben wir ja neulich schon, und David hat mir das Video gezeigt, wo er dir einen geblasen hat. Das hat mich erst richtig scharf gemacht!«
Ich war schockiert, doch noch ehe ich mich mit Davids Indiskretion auseinandersetzen konnte, war die finstere Tatort-Kommissarin tatsächlich aufgestanden und stakste zum Klo.
Da saß ich, das wilde Schaf, nahm all meine Courage zusammen und ging ihr nach.
Sie schloss hinter mir ab. »Richtig gefickt haste noch nie, was?«
Ich schüttelte den Kopf.
»Hier, koste mal«, sagte Kuki, öffnete ihre Hose, steckte ihre
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